Das olympische Gewichtheben ist die Königsdisziplin im Umgang mit der Langhantel. Leider sind die technischen Anforderungen nicht so einfach zu meistern. In diesem Beitrag schneiden wir kurz die fünf größten Bremsen beim Techniklernen im olympischen Gewichtheben an. Die kleinen Tipps werden Euch helfen Euer Training effektiver zu gestalten und größere Fortschritte zu machen.
1. Falsche Bewegungsvorstellung
Erhält der Lernende nicht gleich zu Beginn eine Vorstellung vom richtigen Bewegungsablauf, wird das nachfolgende Üben zu einem langen Irrweg, der durch ausbleibende Erfolgserlebnisse gehörig an der Motivation kratzen kann. Zu Beginn des Erlernens neuer motorischer Fertigkeiten hat daher die Vermittlung der richtigen Bewegungsvorstellung oberste Priorität. Um das korrekte Bewegungsprogramm im Gehirn des Lernenden abzubilden, gibt es unterschiedliche Herangehensweisen. Vom Einschleifen einer „Idealtechnik“ über Methodische Übungsreihen bis hin zum „Vormachen-Nachmachen“ ist alles möglich. Ich persönlich bevorzuge Methoden des Differentiellen Lernens in Kombination mit propriozeptiven Hilfen.
Verbale Anleitung ist der am häufigsten genutzte Kommunikationsweg den Athleten über das gewünschte Bewegungsziel zu informieren. Wenn jedoch die Anweisungen unklar, ungenau oder zu kompliziert formuliert werden, ist es kaum verwunderlich, wenn nicht die gewünschten Ergebnisse dabei herauskommen. Eine aktuelle Studie konnte beispielsweise zeigen, wie die Bewegungsanweisungen die Testergebnisse beim Functional Movement Screen beeinflussen. Mehr zu dieser Untersuchung könnt ihr in Ausgabe 2-2013 unseres eMagazins nachlesen.
In der Praxis bekommt man oft zu hören: „Wenn ich schon Kreuzheben kann, lerne ich schneller Gewichtheben“. Die vermeintliche Ähnlichkeit des Kreuzhebens mit den Bewegungen im Olympischen Gewichtheben (OLG) täuscht jedoch. Die Kinetik und Kinematik unterscheiden sich ab der Kniepassage grundlegend. Eine Hebung im OLG lässt sich als Mixtur aus rumänischem Kreuzheben (Hamstring-Aktivität), Beckenlift (Gluteal-Aktivität) und einem Sprung (Quadrizeps-Aktiviät) beschreiben. Der Vergleich mit dem Sprung wird im übrigen ebenfalls häufig als Metapher verwendet, um die Bewegung zu kennzeichnen. Dieses Bild muss jedoch relativiert werden, denn während ein Sprung über die Fußballen erfolgt, wird der Impuls im OLG über einen vehementen Fersenabdruck initiiert, der bei manchen Athleten sogar in einer leichten Körperrücklage resultiert, statt wie beim Sprung vertikal oder mit leichter Vorlage.
2. Angst
Angst ist die Lernbremse schlechthin. Wenn Dein Gehirn der Meinung ist, dass etwas gefährlich für Dich sei, wird es Dich daran hindern die Bewegungsaufgabe optimal auszuführen. Hierbei spielen verschiedene Denk- und Wahrnehmungsvorgänge eine Rolle, die als Schutzmechanismus fungieren. Nach dem lerntheoretischen Ansatz ist Angst eine erlernte Verhaltensweise. Der Trainer kann diese Mechanismen in Form von bestimmten motorischen und emotionalen Verhaltensweisen erkennen:
- Überlange Konzentrationsphase
- Unsicherheit
- mehrfaches Ansetzen der Bewegung
- Technikverschlechterung
- Misserfolgs-Enttäuschung.
Es ist zum Beispiel nicht unüblich, dass sich mancher Lernende bei Überkopf-Bewegungen Angst hat, die Stange unter sein Kinn zu wuchten und die Zahnarztrechnung unnötig zu strapazieren. Wie alle kognitiven Vorgänge sind diese Annahmen durchaus berechtigt, denn bei optimaler Ausführung muss die Hantel nah am Kopf vorbeigeführt werden. Personen mit Rundrücken und vorgezogener Kopfhaltung sind hier erfahrungsgemäß stärker betroffen. Es gehört ebenfalls viel Mut dazu den eigenen Körper schnell unter eine fallende Last zu platzieren. Die Wahrnehmungsleistungen , Motorik und Körperhaltung können sich unter dem Aspekt der Bedrohungsregulation verschlechtern. Klaus Zischang klassifizierte bereits 1979 unterschiedliche Variablen der Angst-Ausprägung:
- Räumlich-zeitliche Nähe der Gefährdung
- Ähnlichkeit der Reizsituation mit einer anderen Erfahrungen
- Schwere der Konsequenzen bei Versagen
- Misserfolgs-Wahrscheinlichkeit
In der Psychologie gibt es die These, dass die Leistungsfähigkeit bei einem mittleren Erregungsniveau am höchsten sei (Abbildung 1). In der Praxis kommt daher immer wieder zum Vorschein, wie eng Psyche und Motorik miteinander verknüpft sind. Hier ist pädagogische Kompetenz gefragt, denn auch der Führungsstil des Trainers kann Ursache für Angst sein, insbesondere bei Lernenden mit hoher allgemeiner Angstbereitschaft.
3. Unregelmäßiges Üben
OLG ist für Lernende weniger ein Krafttraining, es ist eine eigene Sportart. Genau wie z.B. Stabhochsprung, Turnen oder Golf beinhaltet OLG komplexe technische Anforderungen. Diese müssen regelmäßig geübt werden. Es verhält sich genau wie beim Erlernen einer Sprache. Die Häufigkeit der Anwendung führt schneller zum Erfolg, daher sind Sprachreisen auch so effektiv. Die Kunst der Planung von motorischen Lernstrategien lehnt sich an die Devise „Wiederholen ohne zu wiederholen“ an. Die Variation der Zielbewegung ist also ein wesentlicher Bestandteil, um die Aufmerksamkeit im Lernprozess hoch zu halten. Das Gehirn liebt Abwechslung!
Hierbei ist jedoch nicht gemeint, dass man nach dem Zufallsprinzip handelt und einfach irgendetwas anderes macht, was gar nichts mit der Zielbewegung gemein hat. Variationen dürfen ihren spezifischen Bezug nie verlieren. Für das OLG kann dies beispielsweise bedeuten, dass man bei den Hebungen Bewegungsrhythmus, Bewegungsumfang, oder die äußeren Bedingungen verändert. Empfehlenswert ist, dass man OLG Hebungen am Anfang einer jeden Krafttrainingseinheit übt.
4. Keine Individualisierung
Selbst im Leistungssport arbeiten immer noch viele Trainingsgruppen nach standardisierten Trainingsplänen, frei nach dem Motto „Ein Plan für alle!“. Auch beim Techniklernen werden oft Rezepte pauschal nach dem „Wenn-Dann“-Prinzip angewendet. Resultiert kein Erfolg aus den Standardmethoden, fehlt eben das Talent – so die landläufige Meinung. Nicht nur wissenschaftliche Untersuchungen konnten zeigen, dass ein Trainingsprogramm bei manchen Athleten zu Steigerungen führt, bei anderen keine Verbesserungen und bei dritten sogar Verschlechterungen eintreten. Wohlgemerkt mit dem selben Programm. In der Praxis fehlt oft die Individualisierung des Trainings. Trainingswissenschaftliches Know-How verhilft zu einer adäquaten Übungsauswahl, die für jeden anders aussehen kann. Belastungsnormative sollten ebenfalls unter dem Prinzip der Individualität berücksichtigt werden.
Darüber hinaus betrifft Individualisierung auch die Kommunikation zwischen Trainer und Athlet. Die Trainer-Athlet-Beziehung wird maßgeblich von der Persönlichkeit, dem Alter und und sozio-kulturellen Hintergründen des Athleten bestimmt. Hier ist die pädagogische Kompetenz des Trainers gefragt, um den Zugang zum Athleten zu finden und sein persönliches Potential auszuschöpfen. Daher hängt die Wahl effektiver Lernstrategien und der Trainingsprogramme ebenfalls vom Charaktertyp des Sportlers ab.
5. Zu schnell zu viel
Ein typisches Merkmal unserer Zeit ist, alles SCHNELL zu wollen. Ein merkwürdiger Cocktail aus mangelnder Geduld, Konsumfixierung und gestörter Eigenwahrnehmung trifft auf die Lügenwelt der Werbung, den 5-Minuten-Erfolg und das digitale Zwischennetz. In dieser Welt ist alles möglich und wer die Wahrheit über sportliches Training stets auf seinem iPad statt in der Realität findet, ist ein potentieller Magnet für allerhand virtuelles Halbwissen. Diese Basis ist der optimale Nährboden für utopische Zielvorstellungen und eine verzerrte Wahrnehmung der eigenen motorischen Kompetenz. Erfolg und Meisterschaft beruhten schon immer auf einem langfristigen Leistungsaufbau und einer qualifizierten Unterweisung. Dieses „Naturgesetz“ sollte eigentlich jedem in der Realwelt lebenden Menschen logisch erscheinen.
Im OLG bedeutet dies, dass zu Anfang der Besenstiel oder die leere Stange lange Begleiter der sportlichen Entwicklung sein können. Ein technikorientiertes Training ist hier Trumpf. Intensität spielt in dieser Phase eine untergeordnete Rolle. Für alle, die intrinsisch motiviert sind und den Anweisungen eines kompetenten Lehrers folgen, sollte dies auch kein Problem darstellen. Gefährlicher leben Trendsetter mit großem Wert auf Außendarstellung. Hier kann die Versuchung „zu schnell zu viel“ zur schnellen Verletzung, statt zum schnellen Erfolg führen.