- Lower Extremity Functional Profile
- Range of Motion Assessment
- Transversus Abdominis Acitivation Assessment
- Lumbo-Pelvic Rhythm Assessment
- Scapulo-Humeral Rhythm Assessment
- Extensor Chain Firing Order Assessment
- Rotational Movement Assessment
- Spinal Extension Assessment
Bevor das Marekting um den FMS begann, waren solche Bewegungstests nur Physiotherapeuten vorbehalten, die eine mehrjährige Ausbildung oder ein Studium absolviert haben. Nun ist es möglich sich an dem einen oder anderen Wochenende zum „Experten ausbilden“ zu lassen. Das nennt man heute Fortschritt.
Dimensionsanalytische Betrachtung
Jede Glaubenslehre braucht eine Theorie, die einen pseudowissenschaftlichen Nimbus transportiert. Das im FMS-Manual beschriebene Konzept (Stand 2010) postuliert mit der „Optimum-Performance-Pyramid“ ein eigens kreiertes Modell der sportlichen Leistungsfähigkeit: Die oberste Ebene bilden die „Functional Skills “, die in der klassischen Trainings- und Bewegungslehre als sportartspezifische Fertigkeiten bezeichnet werden. Den Mittelteil bildet die „Functional Performance“ -Ebene, die dem Konzept der konditionellen Fähigkeiten entsprechen, aber irgendwie cooler klingen. Die Basis dieser „Leistungspyramide“ bilden die sog. „Fundamental Movements“ oder „Functional Movements“. Mit der genauen Definition und Herleitung dieser Begriffe bleibt man im Rahmen des FMS-Manuals allerdings allein.
Die „Optimum-Performance-Pyramid“ weist unter genauerer Betrachtung eine wesentliche Inkonsistenz auf: Aus sportwissenschaftlicher Sicht entsprechen auch „Functional Movements“ spezifischen Fertigkeiten (Skills). Per definitionem handelt es sich hierbei um standardisierte Bewegungsabläufe, die höchste Ausführungsqualität verlangen.
Functional Movements sind ebenfalls Skills
Mit „Functional Movement“ schafft man sich also die Grundlage für sein neues Betätigungsfeld. Praktisch bei solchen Konstrukten ist, dass der brave Konsument sie ohnehin nicht hinterfragt. Ist erst eine kritische Masse von Anwendern überschritten, sind selbst gebildete Leute von der Konformität der Menge aufgesogen.
Zum Vergleich: Das Deutsche Sportabzeichen (uncool, weil kein Marekting) testet ebenfalls spezifische Fertigkeiten, oder sollten wir lieber sagen „Fundamental Skills“? Die meisten davon werden quantitativ, d.h. nach Leistung bewertet. Die Gruppe des Turnens wird jedoch genau wie im FMS einer verlaufsorientierten Bewertung unterzogen. „Die Bedingung (….) ist erfüllt, wenn die Ausführung mit gekonnt bewertet wird“ (Deutsches Sportabzeichen Prüfungswegweiser 2011, 10). Unterschied zum FMS: Statt einem Rating von 0 bis 3 gibt es hier lediglich gekonnt oder nicht gekonnt, also eine 1 oder 3 á la FMS.
Beispiel: Ein Proband kann den Test „Rolle vorwärts“ (Besser klingt: Rotational-Stability-Mobilty-Ability), oder den „Handstand“ (Besser klingt: Scapulo-Humeral-Core-Strength-Assessment) nicht korrekt durchführen, folglich geben wir Wertung 1. Wir attestieren ihm funktionelle Defizite. Diese Mängel müssen dann durch spezielle therapeutische Übungen (geheime Corrective Strategies) behoben werden. Viele glauben an komplizierte Zusammenhänge, die man verstehen muss, mit „Neuronaler Programmierung“ bedienen wir diesen Glauben. Ohne diese „Geheimnisse“ würden wir vielleicht sagen: der Proband ist deswegen unsicher, weil er die Bewegung noch nie geübt hat. Normalerweise würden wir den Probanden genau die Testbewegung üben lassen, bis er sie beherrscht. Das wäre für ein kommerzielles System aber zu banal, denn damit könnte man keinen Blumentopf gewinnen. Es braucht es den Nimbus eines speziellen Insiderwissens. Also macht man es wie beim Pauschal-Tourismus: Man nimmt nicht den direkten Weg, sondern führt die Reisenden durch allerhand Umwege und Touristenfallen zum Ziel. Man stelle sich einmal vor, ein Sportler dürfte seine Wettkampfübung im Training nicht anwenden. Im FMS kommt dieses Prinzip zur Anwendung.
Zwischenfazit: Durch das Bemühen des gesundem Menschenverstandes kann man oft schon mehr erreichen, als man denkt. Der Rest, die Fakten, von denen man sonst kaum etwas hört, die werden in den folgenden Abschnitten angesprochen, denn für Sportler gelten noch eine Reihe weiterer Einschränkungen.
FMS und sportliche Leistung
Eine Studie [7], die im Journal of Strength and Conditioning Research veröffentlicht wurde, kommt zu dem Ergebnis, dass es keine Zusammenhänge zwischen der athletischen Leistungsfähigkeit und den Testergebnissen beim FMS gibt. Ein Maximalkrafttest 1-RM der Kniebeuge, zeigte dagegen signifikante Zusammenhänge zu den 10- und 20-Meter Sprintleistungen, der Sprunghöhe beim Vertikalsprung und einem Wendigkeitstest. Die US-Studie wurde an 25 Golfern der Nationalen Spitzenklasse durchgeführt. Interessanterweise gab es sogar positive Korrelationen der 1-RM Kniebeugenleistung zur Abschlaggeschwindigkeit des Schlägerkopfes. Somit könnte die Maximalkraftleistung bei der Kniebeuge nicht nur im Zusammenhang mit allgemeinen athletischen Fertigkeiten in Zusammenhang zu stehen, sondern auch mit spezifischen athletischen Fertigkeiten.
Fazit der Forscher: Der FMS ist nicht geeignet, um Aussagen über die athletische Leistungsfähigkeit zu machen.
Ein Screen eröffnet aus meiner Sicht die Möglichkeit zur Erstellung individualisierter Trainingsprogramme, die ihren Schwerpunkt in der Verbesserung von spezifischen Bewegungsmustern haben. Sollte Individualisierung aber nicht immer im Fokus des Trainings stehen? Ist es nicht selbstverständlich, dass ein Trainer, der ein Trainingsprogramm erstellt, darauf achtet, dass die Übungen korrekt ausgeführt werden? Beobachtet der Trainer seinen Athleten nicht ohnehin genau im Trainingsprozess? Wer erst durch einen Screen dazu ermuntert werden muss, abrbeitet wie ein Animateur und nicht wie ein Trainer.
FMS und Verletzungen
Der ursprüngliche Einsatzzweck von Screening-Methoden im Sport ist die Talentsuche und die Erkennung von Ausschlussfaktoren für bestimmte sportliche Aktivitäten. Für den FMS wird oft die Prognosemöglichkeit von Verletzungen als Einsatzaufgabe vorangestellt. Konkret bezieht sich diese Aussage auf eine Studie von Kiesel und Kollegen (2007),worin der Frage nachgegangen wurde, ob ein FMS Verletzungen voraussagen könne.
In der Studie wurden 46 professionelle Football-Spieler untersucht. Das Ergebnis zeigte, dass ab einem Grenzwert von unter 14 Punkten beim FMS, ein erhöhtes Verletzungsrisiko für die Spieler prognostiziert werden konnte. Dieses Ergebnis wurde allerdings mathematisch über eine sog. Grenzwertoptimierungskurve errechnet, was als Methode zur Optimierung von Parameterwerten eingesetzt wird. Damit konnte dem FMS in dieser Studie eine hohe Sensivität und Spezifität bezüglich des Untersuchungsziels zugerechnet werden.
Eine andere aktuelle Studie [9], die im Juni 2011 im International Journal of Sports Physical Therapy erschienen ist, hatte das Ziel Referenzwerte für den FMS bei sportlich aktiven Menschen zu gewinnen. Es wurden 209 sportlich aktive Probanden (108 Frauen und 101 Männer) zwischen 18 und 40 Jahren mittels FMS untersucht. Die Ergebnisse zeigten ein durchschnittliches FMS-Ergebnis bei 16 von 21 Punkten. Zwischen Frauen und Männern gab es keine signifikanten Unterschiede. Bemerkenswert: Es gab bei den FMS-Testergebnissen ebenfalls keine signifikanten Unterschiede zwischen Probanden, deren Anamnese Verletzungen beinhaltete und Denjenigen, die keine Verletzungen in ihrer Vorgeschichte aufwiesen. Die Frage, welche sich daraus ergibt:
Wenn ein Test nicht in der Lage ist vorausgegangene Verletzungen zu erkennen, wie will er dann zukünftige Verletzungen vorhersagen?
Selbstverständlich wird diese Studie nicht von den Befürwortern des FMS erwähnt. Offensichtlich herrscht hier die falsche Auffassung vor, man könne mit dem Screen Verletzungen voraussagen oder gar verhindern. Abgesehen davon lassen sich bereits aus altbekannten und völlig banalen sportmotorischen Tests Zusammenhänge zur Verletzungshäufigkeit schließen, wie unter anderem diese schweizer Studie eindruckvoll zeigen konnte.
FMS und biomechanische Grenzen
Jeder Mensch ist anders. Strukturelle bedingte Kompensationsmuster schaffen andere biomechanische Bedingungen, welche die Aussagekraft von Bewegungen des FMS relativieren. Ein Beispiel: Bei der Überkopf-Kniebeuge sind nicht selten Auffälligkeiten im Bereich des Beckens in der tiefsten Hockposition zu beobachten. Neben behebbaren funktionellen Störungen, gibt es jedoch auch eine Reihe von Athleten die aus biomechanischen Gründen nicht in der Lage sind eine korrekte Beckenposition in der tiefen Hocke aufrecht zu erhalten.
Nach aktuellen Untersuchungen betrifft etwa 10-18 % der athletischen Population ein genetisch bedingtes Impingement und fehlende Rundung des Hüftgelenks. Neben der vermeintlich „unfunktionellen“ Beckenposition zeigen derartige Athleten Kompensationsmuster mit stark außenrotierten Fußstellungen bei der Kniebeuge. Sportler deren Trainingsformen Adaptationen des Hüftkopfes nach dem Wolffschen Gesetz aufweisen, können ebenfalls einen Anschlag des Hüftkopfes in der Gelenkpfanne zeigen, was wiederum zu den o.g. Kompensationsmustern führen kann. Wie wird dieser Sachverhalt beim FMS berücksichtigt?
Sonstige Fakten zum FMS
Hier nur kurz aufgelistet, da die Erörterung den Rahmen dieses Beitrages sprengen würde:
- Keine Altersindividualisierung
- Keine Individualisierung hinsichtlich sportartspezifischer leistungsbestimmender Dysbalancen
- Das Testgütekriterium der Validität ist fragwürdig (mehr dazu in einer FMS-Studie in unserem eMagazin)
- Beim selective functional movement assessment (SFMA), ist auch das Testgütegriterium der Interrater-Reliabilität fragwürdig, das konnte eine aktuelle Studie im International Journal of Sports Physical Therapy zeigen [10]
Fazit
Die gängigen Meinungen zum FMS sind durch Marketing, nicht durch kritisches Nachdenken entstanden.
US-Trainer Juan Carlos Santana konstatierte im Rahmen einer Fortbildung: „Die Fitness-Industrie schafft Trainingssysteme, um ihre Philosophien zu unterstützen, Methoden, um ihre Trainingssysteme zu unterstützen, Trainingsprogramme, um ihre Methoden zu unterstützen und Übungen, um ihre Trainingsprogramme zu unterstützen. So kreiert man ein Haus von progressiver Information“. Daran sollte man bei seiner nächsten Level X-Certification denken.
Der FMS ist ein gutes Marketingtool, weil er vermittelt, in welcher Weise es im Training um qualitative Bewertung von Bewegung gehen kann. Er ist aber auch ein Beispiel dafür, wie Pseudowissen mit Fachwissen gleichgesetzt wird. Genau wie der Konsument, die nicht mehr selbst die Speisen kocht, stattdessen lieber „neue“ Fertiggerichte kauft oder beim Schnellimbiss nachtankt.
Die ernüchternde Erkenntnis ist, dass es nicht viel Neues gibt. Für den Marketingcharakter ist dies aber nicht hinnehmbar, denn unendliches Wachstum erfordert unendlich viele „neue“ Produkte und Ideen. Sportabzeichen, Cooper-Test oder viele andere Sportmotorische Tests sind vorhanden und haben sich bestens bewährt. Nur werden sie nicht vermarktet. Jeder sollte sich an dieser Stelle einmal die Fragen stellen, warum wir heute nur vermarktete oder käufliche Dinge wahrnehmen.
Literatur
[1] Chorba, R. S., Chorba D. J., Bouillon L. E. , Overmyer, C. A., Landis, J. A. (2010). Use of a Functional Movement Screening Tool to Determine Injury Risk in Female Collegiate Athletes. Am J Sports Phys Ther.; 5(2) : 47–54.
[2] DOSB, Deutsches Sportabzeichen Prüfungswegweiser, Stand 2011
[3] Kiesel K, Plisky PJ, Voight ML. Can serious injury in professional football be predicted by a preseason functional movement screen? (2007). N Am J Sports Phys Ther. 2(3) : 147-158.
[4] Mechling H. et al. (2003). Koordinative Anforderungsprofile ausgewählter Sportarten. Training der Bewegungskoordination. Bd. 2. Köln
[5] Meinel, K. Schnabel, G. (2007). Bewegungslehre – Sportmotorik. München (Südwest) 11. Auflage
[6] Neumaier, A. (2006). Koordinatives Anforderungsprofil und Koordinationstraining. Köln 3. Auflage
[7] Parchmann, C., McBride, J. (2011). Relationship between Functional Movement Screen and Atheltic Performance. Journal of Strength and Conditioning Research 25(12) : 3378–3384
[8] Roth, K., Willimczik, K. (1999). Bewegungswissenschaft. Reinbek
[9] Schneiders, A. G. Davidsson, Å, Hörman, E., Sullivan, S. J. (2011). Functional Movement Screen Nomative Value in a young acitve polulation. The International Journal of Sports Physical Therapy. Volume 6, Number 2 : 75-82
[10] Glaws, Juneau, Becker, Di Stasi, Hewett. (2014) Intra and inter-rater reliability of the selective functional movement assessment (SFMA). The International Journal of Sports Physical Therapy. Volume 9, Number 2 : 195