Geschwindigkeitsbegrenzungen und Abregelungen. Das gibt es nicht nur beim Automobil und im Straßenverkehr. Auch unser Körper ist Sicherheitsbeschränkungen unterworfen.
Hochleistung funktioniert nur, wenn das Nervensystem die Aktivität als sicher einstuft. Wenn nicht, greifen Schutzmechanismen ein, um die Leistungsfähigkeit herabzusetzen und den Körper vor Schäden zu schützen. In der angewandten Neuro-Athletik wird diese Schutzfunktion als „Bedrohungsregulation“ bezeichnet. Das Konzept der Bedrohungsregulation veranschaulicht in einer vereinfachten Form kognitive Bewertungs-Prozesse nach denen das Gehirn Situationen als Bedrohung oder keine Bedrohung einstuft. Wird eine Situation als Bedrohung bewertet, stehen verschiedene Handlungsabläufe zur Disposition, die anhand von praktischen Beispielen erläutert werden sollen.
Praktische Beispiele
Wettkampf. Wenn eine Person beim Krafttraining mehr heben möchte als das Gehirn dem Körper zutraut, wird der „Survival Modus“ aktiviert, um den Körper vor dem erwarteten Schaden zu schützen. Dieses Phänomen kann man bei Sportlern beobachten die ihre Lasten im Training zu schnell steigern und dadurch weitreichende Konsequenzen zu spüren bekommen, wenn dies öfter geschieht Das Gehirn schaltet in den Survival Modus, der verhindert dieses Gewicht zu heben. Diese Situation ist nichts anderes als ein Lern- und Anpassungsprozess. Das grundlegende Prinzip ist die Neuroplastizität. In Wettkampfsituationen kann man dieses Phänomen beispielsweise beim olympischen Gewichtheben beobachten: Hier bewirkt manchmal eine Steigerung um lediglich 1-2 kg einen Shutdown des Nervensystems und das Gewicht kann einfach nicht gehoben werden.
Extremsituationen. Aus Medien- und Erfahrungsberichten ist bekannt, dass unter Lebensgefahr Kraft- und Leistungspotentiale abgerufen werden können, die unter normalen Bedingungen nicht zur Verfügung stehen. Warum stehen uns diese Potentiale nicht immer zur Verfügung? Die hundertprozentige Ausnutzung des Kraftpotentials führt zum Überschreiten der Sicherheitsgrenze und damit unweigerlich zu Verletzungen. Die Kraft der Muskeln übersteigt die Haltbarkeit von Sehen, Bändern, Kochen und Gelenken. Das Modell der Bedrohungsregulierung zeigt, dass in nicht lebensbedrohlichen Situationen die Sicherheitsgrenze niemals überschritten wird, um den Körper vor diesen Schäden zu schützen. In einer lebensbedrohlichen Situation entscheidet das Gehirn zwischen Tod oder Verletzungen. Da es auf Überleben programmiert ist, muss der Survival-Modus kurzzeitig in einen Turbo-Modus geschaltet werden, um der lebensbedrohlich Lage zu entkommen. In der Tat finden sich bei Menschen, die sich aus solchen Extremsituationen befreit haben oft Frakturen, da kurzzeitig eine hunderprozentige Aktivierung aller Muskelfasern stattgefunden hat. Auch werden in Extremsitationen – selbst bei beträchtlichen Verletzungen – meistens keine Schmerzen verspürt. Schmerzen würden in lebensbedrohlichen Situationen nicht gerade hilfreich sein, deshalb beschließt das Gehirn einfach keine zu erzeugen. So gibt es immer wieder Berichte über Soldaten die während Kampfhandlungen ernsthaft verwundet wurden ohne Schmerzen wahrzunehmen. Ebenso über schmerzlose Selbstamputationen, die in lebensbedrohlichen Situationen getätigt wurden.
Ungenutztes Potential. Zurück zu Alltag. Unter normalen Bedingungen ist es willentlich nicht möglich alle Fasern eines Muskels gleichzeitig zur Kontraktion zu bringen. Deutsche Literatur geht von Höchstwerten von 50% bei Untrainierten und bis zu 90% bei Hochleitungs (Kraft)-Sportlern aus. Bei internationalen Diskussionen werden gar Werte von lediglich 20% angenommen. Wie hoch der Wert nun tatsächlich ist, mag für die Praxis von untergeordneter Bedeutung sein, denn Fakt ist: es gibt ein ungenutztes Potential und die Frage ist, wie man dieses Potential (außer durch Doping) zugänglich macht. Genau dies ist ein Effekt der Z-Health-Methode, die weiter unten beschrieben wird.
Schmerz und Veränderung von Bewegung. Wenn ein Athlet bei einer bestimmten Übung (Bewegung) Schmerzen verspürt, stehen zwei Reaktionspläne für das Gehirn zur Disposition:
- Plan A: Vermeidung der Übung (Bewegung)
- Plan B: Durch den Schmerz hindurch trainieren
Plan A zu befolgen bedeutet die Übung (Bewegung) nicht mehr auszuführen bis die Schmerzen verschwunden sind und dadurch einen möglichen Leistungsverlust hinzunehmen. Dies ist für viele unklugerweise keine annehmbare Option. Daher wird in vielen Situationen zu Plan B übergegangen. Dies bleibt jedoch nicht ohne Konsequenzen. Das Gehirn knobelt einfach ein anderes Bewegungsmuster aus, um diese Übung fortführen zu können. Das neue Muster ist aber nicht so effizient wie das optimale Muster und muss daher oft mit höherem Kraft- bzw- Energieeinsatz kompensiert werden.
Die Ergebnisse sind eine Anpassung des Gehirns durch kompensatorische Bewegungen und fehlerhafte Bewegungsmuster. Werden diese über einen längeren Zeitraum absolviert, führt dies zu dauerhaften strukturellen Veränderungen des Bewegungsapparates. Diese können wiederum zu anderen Problemen führen und wir stehen wieder vor einer neuen Plan A und Plan B Situation: ein Teufelskreislauf ist in Gang gesetzt. Jetzt haben sich die fehlerhaften Bewegungsmuster fest in den höheren Ebenen des cerebralen Cortex festgesetzt und die ursprünglichen Muster ersetzt.
Der Teufelskreis kann auch ein Grund sein, warum die Ursachen von Schmerzen teilweise in ganz anderen Bereichen liegen, als an den Orten wo sie auftreten. Die Resultate sind für den Athleten, aber auch für Inaktive äußerst frustrierend, denn in der Regel wird derjenige Arzt aufgesucht, dessen Fachgebiet den Symptomen am ehesten zuzuordnen ist. Unser Beispiel zeigt, dass eine Rückverfolgung auf die tatsächlichen Ursachen nicht einfach ist. Dies zeigt sich in der Praxis oft dadurch, das der Arzt oder der Trainer einfach eine Kräftigung bestimmter Muskeln verschreibt oder nur die Chemiekeule schwingt und mit Medikamenten die Symptome einfach betäubt. Die Ursachen verändern diese Vorgehensweisen jedoch nicht!
Neuro-Grundsatz: Niemals in den Schmerz hinein trainieren
Unter Schmerzen verändern sich nicht nur Bewegung, auch Denken und Verhalten. Schmerzen sind zwar unangenehm, aber auch eine normale Schutzreaktion. Schmerzempfindugen sind ein Teil der Bedrohungsregulation des Gehirns. Wenn das Gehirn der Meinung ist, man befinde sich in Gefahr oder es drohen auch nur angenommen Gefahren, sind Schmerzen ein wirkungsvolles Warnsignal. Jetzt heißt es richtig handeln.
Bedrohungsregulation: Alles zählt!
Jede Sekunde werden Unmengen von Informationen im Gehirn verarbeitet. Diese Informationen werden in sog. „Neuralen Chunks“ organisiert. „Chunks“ kann man mit Buchstaben vergleichen. Wie bei einer Sprache gibt es eine Hierarchie: Mehrere Buchstaben ergeben Silben, mehrere Silben Worte, mehrere Worte Sätze, usw. Somit kann das Gehirn sehr individuelle und komplexe „Chunks“ kreieren, die als motorische, kognitive und emotionale „Chunks“ miteinander verbunden sind. Es wird angenommen, dass auch Schmerzen in Form von „neuralen Chunks“ organisiert sind. Durch die neurowissenschaftliche Linse betrachtet, gibt es keine Trennung von Psyche und Körper. Alles ist miteinander verkettet. Ziel in der Neuro-Ahletik ist es, fehlerhaft verkettet „Chunks“ durch Funktionierende zu ersetzen. Diese Betrachtungsweise erlaubt in der Praxis ein deutlich weitergehendes Verständnis von Bewegung, als es durch biomechanische Ansätze. möglich wäre. Klienten und Athleten können sich dadurch über wesentlich effektivere Strategien zur Erreichung ihrer Ziele freuen.