Woher kommt eigentlich die panische Angst bei Frauen durch Krafttraining riesige Muskelberge aufzubauen? Hier erfahrt ihr die Gründe.
Bevor die Fitnessindustrie ihren Einfluss auf das Training fast aller Freizeitsportler nahm, war klassisches Krafttraining und Gymnastik aus verschiedenen Sportarten für Frauen über Jahrhunderte an der Tagesordnung. Der „Fitness-Boom“ mit seiner explosionsartigen Verbreitung von Bodybuilding- und Maschinentraining führte jedoch zu einer Kehrtwende im Training und veränderte das Bild und die Funktion von Krafttraining in der Gesellschaft. Der Neubegründer der modernen Kugelhantelbewegung, Pavel Tsatsouline schreibt in seinem im Jahre 2000 erschienen Buch „Power to the People“: In den 80er Jahren beobachtete der Kraftdreikampf-Enthusiast Dr. Ken Leistner die rapide Ausbreitung von Bodybuilding und sagte den Rückgang von Krafttraining voraus. Er behielt recht. Die Ausuferung der Kraft=Muskelmasse-Mentalität führte zu zwei unglücklichen Entwicklungen:
Zum einen begann man Krafttraining mit Bodybuilding gleichzusetzen. Das Resultat waren die klassischen„Strandmuskeln“ mit dem Fokus auf Muskelhypertrophie. Beispielweise war die damalige Generation der US-Gewichtheber im Gegensatz zur ihren Vorgängern sehr muskulös, sie hatten jedoch gegen die viel weniger muskulösen Osteuropäer keine Chance, wenn es ans Heben des Eisens ging. Zum anderen entstand in dieser Zeit die Scheu der Frauen vor effektivem Krafttraining, im Glauben dies würde sie zu muskulös machen. Sie wurden damit zufrieden schwach zu sein, weil sie nicht wussten, wie man stark wird, ohne Muskelmasse aufzubauen. Die Damen zogen sich zu armseligen Trainingsprogrammen mit hohen Wiederholungen zurück, die nichts zur Verbesserung ihres Muskeltonus‘ und der Kraft beitrugen. Dies hat sich bis heute nicht geändert. Im Leistungssport sind diese Ängste den Damen schon immer fremd gewesen. In den meisten Fitness-Studios dagegen, sind Lang- und Kurzhanteln Trainingsmittel, um die Frauen einen großen Bogen machen. Die Kraftbereiche fest in Männerhand, während Frauen lieber ihre Trainigszeit auf Cardiogeräten verbringen oder einige leichte Sätze an der Adduktorenmaschine absolvieren. Dieses Klischee scheint ein ungeschriebenes Gesetz. Woher aber kommen diese seltsamen Verhaltensweisen? Müssten sich die Damen und Herren nicht gleichmäßiger auf alle Trainingsbereiche verteilen, um ein ausgewogenes Trainingsprogramm durchzuführen?
Lifestyle statt Biologie
Oft wünschen sich Frauen einen straffen und trainierten Körper, um den typischen Problemzonen entgegenzuwirken. In Gesprächen gewinnt man oft den Eindruck, Frauen haben eine panische Angst davor, quasi über Nacht riesige Muskelberge aufzubauen, die sie letztlich nicht mehr los würden. Die verschiedenen Zielsetzungen von Frauen und Männern spielen aus sportmedizinischer Sicht jedoch eine untergeordnete Rolle, da die physiologischen Mechanismen, die durch den Trainingsreiz in Gang gesetzt werden geschlechtsunabhängig sind. Die Ergebnisse fallen, was intensives Krafttraining mit freien Gewichten angeht jedoch höchst unterschiedlich aus.
Frauen produzieren im Vergleich zu Männern nur etwa ein Drittel des männlichen Geschlechtshormons Testosteron. Dieses Hormon hilft Muskelpakete aufzubauen – aber auch Fett abzubauen! Nur wenige Frauen sind aufgrund ihrer Genetik dazu in der Lage Muskeln wie ein Mann aufzubauen. Muskelbepackte Frauen aus dem Bodybuildingbereich haben jahrelanges hartes Training absolviert und möglicherweise mit Medikamenten unterstützt. Ein gutes Krafttraining spiegelt sich außerhalb von Hardcore-Bodybuilding in einem straffen und durchtrainierten Körper wider. Der Ausprägungsgrad der Muskulatur lässt sich nach individuellen Empfinden antrainieren. Ist man mit den Ergebnissen zufrieden, wird die Trainingsbelastung auf gleichem Level gehalten und nicht mehr progressiv gesteigert.
Die Macht der Medien
In der heutigen Zeit bestimmen die Leitmedien das,was wir Denken sollen und damit auch unsere Schönheitsideale. Sie legen fest, wie Frau auszusehen hat: nicht sportlich, nicht trainiert, sondern dünn. Um dieses Ziel zu erreichen reicht es einfach schon aus, nichts zu essen und dadurch ordentlich Muskulatur zu verlieren. Wenn das Knie die dickste Stelle am Bein ist, hat man es geschafft!
Fernsehen, Radio, Internet und Printmedien sind allgegenwärtig und kaum ein Mensch kann sich Ihrem Einfluss entziehen. Die bunte und grelle Fitnesswelt bildet hier keine Ausnahme. Jedes Jahr wird das Rad neu erfunden und zahlreiche „Innovationen“ erobern den Markt, die alle immer wieder auf das selbe Ziel hinauslaufen: mit weniger Aufwand und Anstrengung mehr erreichen. Die Marketingexperten gehen auf die Wünsche der Kunden ein und stellen sie plakativ dar um ihr Produkt abzusetzen. Gerade einschlägige Frauenzeitschriften glänzen in dieser Hinsicht immer wieder durch unzweckmäßige Trainings- und Ernährungsemfehlungen, die bereitwillig von ihren Leserinnen umgesetzt werden: Zu Hause ein paar Sprudelflaschen in die Höhe stemmen und man bekommt straffe Arme, die Pobacken für ein paar Sekunden zusammen kneifen und der Po wird knackig, beide Hände fest zusammendrücken, das stärkt die Brustmuskulatur, in nur 10 Minuten täglich zur Strandfigur, noch vor dem Sommer!
Auffallend ist, das überall bewusst das Wort Krafttraining vermieden wird. Stattdessen wird lieber von Bodyshaping oder Boyforming gesprochen. Würde in den Medien verbreitet werden, dass das Lang- und Kurzhanteltraining die überlegene Methode zur Formung des Körpers sei, wäre es ein vernichtender Schlag für die gesamte Fitnessindustrie. Ein ganzer Absatzmarkt für teure Gerätschaften würde möglicherweise zerstört. Der Trend geht weiterhin zu Wellness- und Gesundheitszentren, in denen die Trainingsintensität auf ein Minimum heruntergeschraubt wird. Training zur bloßen Beruhigung des schlechten Gewissens betrieben, ohne messbare und sichtbare Erfolge. Das Muckibuden-Image drängt die Bedeutung von Training mit freien Gewichten im Fitnessbereich, trotz Ihrer wissenschaftlich belegten Vorteile, weiterhin an den Rand. Wer strengt sich heutzutage noch an beim Training? Das ist völlig out
Die Braut, die sich nicht traut
Erstaunlicherweise lässt sich vielen Gesprächen feststellen, dass zahlreiche Frauen durchaus dazu bereit wären an Lang- und Kurzhanteln zu trainieren. Zwei Dinge jedoch halten sie davon ab:
- Mangelnde qualifizierte Betreuung und die Sorge etwas falsch zu machen
- Unter Beobachtung von anwesenden Männer zu stehen
Eine qualifizierte Trainingsbetreuung mit entsprechender Erfahrung im Training mit freien Gewichten ist heute schwer zu finden. Personalkosten und Betreuungsaufwand müssen niedrig gehalten werden, das ist wirtschaftliches arbeiten. Hanteltraining erordert das genaue Gegenteil vom Trainerpersonal: Aufmerksamkeit, Hingabe, Engagement und vor allem viel Zeit. Den Faktor „Mann „in den Griff zu kriegen ist eine Sache von Gewohnheit. In Sportvereinen, die oft über nur begrenztes Trainingsequipment verfügen werden gerne Lang- und Kurzhanteln verwendet, da sie verhältnismäßig günstig sind und ein sehr breites Spektrum an Übungen ermöglichen. Hier absolvieren Frauen wie Männer das gleiche Training! Es werden sportartspezifische Bewegungen durchgeführt, welche sich leistungsfördernd auf die jeweilige Sportart auswirken sollen. Sehen hier die Frauen deshalb aus wie Männer? Werden sie deshalb befremdend von den Männern beobachtet?
Es wird an diesen Beispielen deutlich, dass die geringe Verbreitung des Krafttrainings an Lang- und Kurzhanteln bei Frauen größtenteils auf sozio-kulturelle Hintergründe und den Einfluss der Medien zurückzuführen ist. Aus trainingswissenschaftlicher Sicht ist das Training mit freien Gewichten dem an Kraftmaschinen deutlich überlegen:
- Mehr beanspruchte Muskelgruppen
- Höhere Stoffwechselaktiviät
- Verbesserte intermuskusläre Koordination
- Sehr abwechslungsreich
- Hoher Alltagsnutzen
- Sehr feine Gewichtsabstufungen
- Qualifizierte Betreuung unabdinglich
Wie kann es gehen?
m folgenden Trainingsvideo werden 8 kg schwere Kugelhanteln verwendet. Diese weisen eine sehr kleine Standfläche auf und sind folglich sehr instabil, was die Anforderungen an die Ganzkörperstabilität zusätzlich erhöht.