In dieser kurzen Studien-Zusammenfassung haben wir für Euch die wichtigsten biomechanischen Unterschiede zwischen Front- und Nackenkniebeuge herausgearbeitet.
Ein Gros der Trainierenden denkt bei dem Begriff Kniebeuge an die klassische Kniebeuge mit der Langhantel im Nacken, die so genannte Nackenkniebeuge (NKB). Die Kniebeuge stellt aber lediglich einen Oberbegriff für eine Vielzahl von Bewegungsmöglichkeiten mit annähernd gleichem Bewegungsmuster dar, wie z.B.
- die Kniebeuge mit der Langhantel im Nacken
- die Überkopf- oder Reiß-Kniebeuge
- bulgarische oder Schritt-Kniebeuge
- einbeinige Kniebeuge oder
- die Frontkniebeuge.
Tabelle 1 stellt diese Variationen – ergänzt um beanspruchte Muskulatur und Hinweise – vor.
Tab. 1: Kniebeugenvariationen (mod. nach Bird und Casey, 2012).
Kniebeugenvariante | Primär besanspruchte Muskeln | Hinweis |
Nackenkniebeuge | Vordere Oberschenkelmuskulatur, Gesäßmuksulatur, Rückenstrecker, Bauchmuskulatur | Ganzkörperübung |
Frontkniebeuge | Vordere Oberschenkel, Gesäß, Rückenstrecker, Bauch, Schultern | Grundlegende Übung für das Erlernen des olympischen Gewichthebens; Verringerung der Scherkräfte im Kniegelenk |
Überkopf-/Reißkniebeuge | Schultergürtel, Oberer Rücken, vordere Oberschenkel, | Hohe Schulterbeweglichkeit und -kraft erforderlich |
Bulgarische oder Schrittkniebeuge | Vordere Oberschenkel, Gesäß, Hüftabduktoren und -adduktoren | Erhöhte Aktivität der Hüftstabilisatoren, hohe Anforderung an die Stabilität zwischen Becken und Wirbelsäule |
Einbeinige Kniebeuge | Hüftabduktoren und -adduktoren, Rückenstrecker, Bauch | Fokus auf Gleichgewicht, Knie- und Wirbelsäulenstabilität |
Goblet Kniebeuge | Vordere Oberschenkel, Gesäß, Rückenstrecker, Bauch, Schultern | Grundlegende Lernübung für die Kniebeugentechnik |
Die Frontkniebeuge (FKB) ist durch das so genannte „Functional Training“ in den vergangenen Jahren verstärkt in den Vordergrund gerückt. Die FKB ist eine grundlegende Übung, um das olympische Gewichtheben und dessen Variationen zu erlernen. Abbildung 2 stellt die Übungsposition der FKB und NKB in der tiefen Hocke exemplarisch gegenüber. Auffällig ist, dass die Rückenposition in der FKB nahezu lotrecht ist.
Abbildung 1: Exemplarischer Vergleich der Front- und Nackenkniebeuge in der unteren Position
Die Studie und ihre Ergebnisse
Die aufrechtere Rumpfposition der FKB könnte zu Veränderungen der muskulären Aktivität der Oberschenkelmuskulatur und des Rückenstreckers führen. Dieser Frage gingen Gullet und Kollegen nach und verglichen die FKB mit der NKB. Sie konnten bei jeweils 70 Prozent der Maximalkraft in der jeweiligen Übung zeigen, dass die FKB im Vergleich zu NKB zu keinen Veränderungen in der elektrischen Aktivität der vorderen und hinteren Oberschenkelmuskulatur und des Rückenstreckers führte. Die Aktivität der Gesäßmuskulatur wurde nicht erfasst, aber aufgrund der größeren Standbreite ist von einer erhöhten Aktivität der Gesäßmuskulatur bei NKB auszugehen.
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Kommentar
Betrachtet man die Abbildung 1 hinsichtlich der Knieposition, so fällt ein weiter nach vorn geführtes Knie in der FKB auf. Unter biomechanischen Gesichtspunkten ist die nicht weiter verwunderlich, da die fehlende Rumpfvorneigung anderweitig „kompensiert“ werden muss. Der weit verbreite Mythos, dass das Knie bei der Kniebeuge nicht vor die Fußspitze geschoben werden darf, wird hier näher behandelt.
Hinsichtlich der Scherkräfte im Kniegelenk führt dies zu keinen Unterschieden, da in der FKB erfahrungsgemäß weniger Gewicht verwendet werden kann. Die Kompressionskräfte im Kniegelenk sind bei der FKB sogar geringer als bei der NKB. Aufgrund der geringeren Gewichts- und somit Kniegelenkbelastung sind FKB bei Knieproblemen tendenziell als vorteilhafter einzustufen.
Bird, S. P., & Casey, S. (2012). Exploring the Front Squat. Strength & Conditioning Journal, 34(2)
Gullett, J. C., Tillman, M. D., Gutierrez, G. M., & Chow, J. W. (2009). A biomechanical comparison of back and front squats in healthy trained individuals. Journal of strength and conditioning research / National Strength & Conditioning Association, 23(1), 284–292. doi:10.1519/JSC.0b013e31818546bb
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