Im ersten Teil dieses Artikels wollen wir eine kurze Beschreibung dieses Bewegungstests geben. In Teil zwei erfolgt eine Analyse des FMS aus dem Blickwinkel der Bewegungs- und Trainingslehre.
Die Zahl der Sporttreibenden ist in den letzten Jahrzehnten deutlich angestiegen. Marktanalysen weisen in Deutschland eine Zahl von etwa 57 Millionen sportlich Aktiven aus (TdW Intermedia: Typologie der Wünsche 04/05. Menschen – Medien – Märkte, 2004). Parallel zum Anstieg der Sporttreibenden steigen auch Risiken für nachhaltige Verletzungen am Bewegungsapparat deutlich an. Lange dachte man, dass Stretching effektiv zur Verletzungsprophylaxe beitragen kann. Aktuelle Studien [1], [2] zeigen jedoch, dass dies nicht der Fall ist.
Um Verletzungsrisiken zu minimieren fokussieren sich Therapeuten und Bewegungsexperten in jüngerer Vergangenheit vermehrt auf die Verbesserung von Bewegungsmustern, statt auf die Funktion einzelner Gelenke und Muskeln. Zahlreiche neuere Forschungsergebnisse deuten zudem an, dass isolierte Rehabilitationsstrategien nach einer Verletzung nicht ausreichen, um die gesamtkörperliche Leistungsfähigkeit wieder herzustellen [3]. Andere Untersuchungen zeigen, dass lokale Verletzungen nachteilige Auswirkungen auf Körperregionen haben können, die weit weg von der eigentlichen Verletzung sind [4], [6].
Stelle Dir eine Fußballmannschaft vor: die Mannschaft besteht aus elf erstklassigen Einzelspielern. Im Training dieses Teams übt jeder nur für sich allein. Die technischen und konditionellen Fähigkeiten eines jeden Einzelspielers sind spitze. Kommen die Akteure für ein Match zusammen, können Sie nicht richtig zusammenspielen, weil sie genau das niemals richtig trainiert haben.
Optimale Bewegung hängt vom perfekten Zusammenspiel aller beteiligten Organsysteme ab. Dies ist die Grundlage, um maximale Bewegungseffizienz und Verletzungsfreiheit zu gewährleisten. Dieses Zusammenspiel soll mit dem Functional Movement Screen (FMS) qualitativ beurteilt werden.
Der FMS ist ein Bewegungs- und Stabilisationstest, der ineffiziente Bewegungsmuster und potentielle Verletzungsrisiken erfassen soll. Die Marke Functional Movement Systems wurde vom amerikanischen Physiotherapeuten Gray Cook ins Leben gerufen. Seine Konzepte basieren auf den Entwicklungen von Professor Vladimir Janda, einer Schlüsselfigur in der Rehabilitationsforschung des 20. Jahrhunderts. Der FMS ist praktisch ein Muskelfunktionstest nach Janda.
Was bedeutet eigentlich „Functional“?
Functional Movement Systems gibt keine konkrete Antwort auf diese Frage. Die Definition dieses Begriffes leiten wir daher aus den Zusammenhang des FMS-Konzeptes (Stand 2010) wie folgt her: „Functional“ bedeutet, dass die an einer Bewegung beteiligten Muskeln das richtige zur richtigen Zeit tun. Der FMS soll genau genommen das neuromuskuläre Zusammenspiel bei sieben fest definiertem Bewegungen plus drei Clearing Tests überprüfen, die jeweils ein Optimalverhältnis von „Mobilität und Stabilität“ erfordern.
Die Testbatterie
Test 1: Tiefe Überkopf-Kniebeuge
Die Kniebeuge ist laut FMS eine athletische Grundbewegung, besonders für Kraft- und Schnellkraftsportler. Die Bewegung verschafft einen Überblick der der gesamten Körpermechanik des Athleten. Dysfunktionen, die hier ersichtlich werden, tauchen in den folgenden Test wieder auf. Hier wird ersichtlich, wie symmetrisch die beidseitige Mobilität der Hüft-, Knie- und Fußgelenke entwickelt ist. Die Überkopf-Variante testet zusätzlich die symmetrische Mobilität von Schultergelenken und der Brustwirbelsäule. Die Stabilisationsfähigkeit von Rumpf und Becken ist ein weiterer wichtiger Beobachtungspunkt.
Test 2: Hürdenschritt
An diesem Test lässt sich die korrekte Schrittmechanik ablesen. Es werden Koordination, sowie funktionelle Mobilität und Stabilität von Hüfte, Knie- und Fußgelenken gefordert. Insbesondere die Stabilität des Standbeines in geschlossener kinetischer Kette und die Balance in einer dynamischen Bewegung.
Test 3: Ausfallschritt in Linie
Dieser Test erfordert die Fähigkeit Schrittbewegungen kontrolliert abbremsen zu können und gleichzeitig den Rumpf gegen Rotationen zu stabilisieren. Neben der Standbeinstabilität wird eine gute Schulter-und Brustwirbelsäulenbeweglichkeit benötigt. Die parallel erforderliche Mobilität des Schrittbeines, macht diese Bewegung zu einer der Komplexesten im FMS.
Test 4: Kreuzgriff
Mit dem Kreuzgriff prüfen wir den bilateralen Bewegungsumfang der Schulter in Kombination mit einer Innenrotation und Adduktion, sowie Außenrotation und Adduktion. Der Kreuzgriff erfordert ebenfalls eine normale Schulterblatt- und Brustwirbelsäulenbeweglichkeit.
Test 5: Aktives Beinheben in Rückenlage
Das aktive Beinheben in Rückenlage testet die Fähigkeit eine gesonderte Bewegung der unteren Extremitäten bei gleichzeitiger Stabilisation des Rumpfes durchführen zu können. Hier spielt vor allen Dingen das Timing der einzelnen Bewegungssequenzen eine Rolle und kann dadurch maßgeblich den Bewegungsumfang (ROM) bei diesem Test bestimmen. Der ROM wird daneben durch die aktive Flexibilität der Gastrocnemius-Soleurs-Gruppe, sowie durch die Ischiocurale Muskulatur bestimmt.
Test 6: Liegestütz
Am Liegestütz wird deutlich, inwiefern der Athlet in der Lage ist seinen Rumpf während einer dynamischen Oberkörperbewegung in geschlossener Kette zu stabilisieren. Die Fähigkeit den Rumpf in sagittaler Ebene zu stabiliseren ist bei den meisten Alltags- und Sportbewegungen wichtig, da nur auf diese Weise eine optimale Kraftübertragung von den unteren auf die oberen Extremitäten und umgekehrt erfolgen kann.
Test 7: Vierfüßler Stand
Der Vierfüßler Stand erfordert die Fähigkeit des Rumpfes bei einer kombinieren Oberkörper-Unterköperbewegung den Kräften in der sagittal und transversalebene entgegenzuwirken. Eine asymmetrische Stabilisationsfähigkeit ist besonders während Aktivitäten wie Laufen gefordert, bei denen immer nur ein Bein den Boden berührt und der Rumpf hierbei jeweils die Kräfte der Beine und Arme diagonal übertragen muss.
Clearing Tests
Bewertung der Testergebnisse
Die einzelnen Tests haben bestimmte Kriterien, die erfüllt werden müssen, um eine hohe Gesamtpunktzahl zu erhalten. Eine „3“ wird vergeben, wenn der Athlet die Bewegung ohne Kompensationen in der korrekten Form absolvieren kann. Eine „2“ wird vergeben, wenn die Testübung in schlechter Form mit Kompensationsbewegungen durchgeführt werden kann. Die Bewertung „1“ erhält der Athlet, wenn die Bewegung gar nicht ausgeführt werden kann und die „0“ bei auftretenden Schmerzen während der Ausführung. Bei den fünf bilateralen Test wird jeweils nur die Seite mit dem schlechteren Wert in die Gesamtpunktzahl addiert. Zu den Tests Kreuzgriff, Liegestütz und Vierfüßlerstand gehören je ein Clearing Test, bei dem nur abgefragt wird ob Schmerzen bei der Bewegung verspürt werden oder nicht. Bei Schmerzen, werden die zugehörigen Haupttests mit 0 bewertet.
Die Aufgabe des Therapeuten bzw. Trainers ist die richtige Interpretation der einzelnen Tests. Ziel ist es, durch die Auswahl geeigneter therapeutischer „Korrekturübungen“ die Bewegungsdefizite zu beseitigen und eine höhere Punktzahl zu erreichen. Hauptaugenmerk liegt auf den Tests, die Schmerzen verursacht haben oder auf Asymmetrien bei den bilateralen Tests.
Mehr in Teil 2
Literatur
[1] Herbert, RD and De Noronha, M. 2007.Stretching to prevent or reduce muscle soreness after exercise. Cochrane Database Syst Rev 4: CD004577
[2] Herbert, RD and Gabriel, M. 2002. Effects of stretching before and after exercise on muscle soreness and risk of injury: Systematic review. BMJ 325: 468
[3] Nadler, SF, Malanga, GA, Bartoli, LA, Feinberg, JH, Prybicien, M, and Deprince, M. 2002. Hip muscle imbalance and low back pain in athletes: Influence of core strengthening. Med Sci Sports Exerc 34: 9–16
[4] Nadler, SF, Moley, P, Malanga, GA, Rubbani, M, Prybicien, M, and Feinberg, JH. 2002. Functional deficits in athletes with a history of low back pain: A pilot study. Arch Phys Med Rehabil 83: 1753–1758
[5] Minick, K. I., Kiesel, K. B., Burton, L., Taylor, A., Plisky, P., & Butler, R. J. 2010. Interrater Reliability of the Functional Movement Screen. The Journal of Strength & Conditioning Research, 24(2)