Wer dem Zirkus um das Industrieprodukt „Funktionelles Training“ überdrüssig wird, kann es mal mit etwas handfestem versuchen: Holzfällen als Leistungssport. Keine Sorge, das ist auch funktionell.
Die meisten von uns dürften das Sportholzfällen aus dem Spartensender Eurosport kennen. Hier wird regelmäßig die professionell vermarktete STIHL® TIMBERSPORTS® SERIES ausstrahlt. Das Sportholzfällen entwickelte sich ursprünglich in Kanada, Australien, Neuseeland und den USA. Dort ermittelte man auf lokaler Ebene traditionell die besten Waldarbeiter. Mit der Zeit entwickelte sich daraus eine internationale Wettkampfserie auf höchstem sportlichen Niveau.
Bei einem Probetraining durfte ich mir am letzten Maiwochenende am Stihl-Trainingstützpunkt auf dem Hainberg Areal in Mellrichstadt selbst ein Bild vom Sportholzfällen machen. Stützpunktleiter Phillip Vielwerth war von 2001-2004 selbst aktiver Sportler und kümmert sich nun mit der Bühnencrew um den reibungslosen und fairen Ablauf der Wettkämpfe. Eine Wissenschaft für sich, denn Holz ist nicht gleich Holz. Unser Probetraining umfasste drei aus regulär fünf Disziplinen. Los ging es mit der Single Buck.
Die Single Buck ist eine etwa 2-Meter-Handsäge mit der eine Holzscheibe von einem horizontal befestigten Block abgesägt werden muss. Weltmeisterschafts-Teilnehmer Danny Mahr (Foto) vermittelte den richtigen Rhythmus und die Technik dieser Monster-Säge. Weiter ging es mit dem Underhand Chop. Simuliert wird das Zerteilen eines bereits gefällten Baumes. Auf einem horizontal verankerten Block stehend, versucht der Sportler durch Axtschläge den Stamm zu durchschlagen. Mich überraschte, dass vor allen Dingen eine enorme Präzision der Schläge erforderlich ist. Mit roher Kraft kommt man hier nicht weit. Wie man auf dem Foto erkennen kann, wurde ich zur eigenen Sicherheit wie der Blechmann aus „Der Zauberer von Oz“ verkleidet. Im Gegensatz zu den Profis, die mindestens handflächengroße „Chips“ abschlagen, war ich leider nur in der Lage Corn Flakes zu produzieren.
Den Abschluss bildete das Training mit der Stock Saw, einer handelsüblichen Motorsäge der Firma STIHL. Mit dieser Motorsäge mussten wir von einem waagerecht verankerten Holzblock (40 cm Durchmesser) innerhalb eines Bereichs von 10 cm zwei vollständige Cookies (Holzscheiben) absägen. Die Herausforderung liegt darin, die Kraft der Motorsäge richtig zu beherrschen, was einem blutigen Anfänger wie mir ziemlich zu schaffen machte. Die Profis benötigen dafür weniger als sieben Sekunden. Diese erfahrenen Sportler nutzen allerdings die sogenannte „Hot Saw“, eine Spezialanfertigung mit bis zu 80 PS und einem Eigengewicht von etwa 27 kg.
Zum Vergleich: Arnold Schwarzenegger benötigte 1987 in einer ähnlichen Disziplin 1:34, um seinen Gegner Buzzsaw in die Schranken zu weisen (siehe Video-Beweis). In der Sportwissenschaft wird so etwas gegnerbehinderte Disziplin genannt. Der Charme der 80er Jahre lässt grüßen.
Das Holzfällerhandwerk hat eine erstaunliche Versportlichung mit allen Kriterien eines echten Leistungssports erfahren. Sportholzfällen ist nicht nur ein attraktiver Zuschauersport, sondern macht auch auf der aktiven Seite enorm viel Spaß, vor allem wenn man es richtig beherrscht..
Für uns Großstädter, die wir jetzt unsere Holz-Fälle davonschwimmen sehen, weil uns die örtlichen Trainingsmöglichkeiten fehlen, empfiehlt sich ersatzweise die Phantasie anzustrengen. Wie wäre es mit Construction-Sports, also Bauarbeiten als Leistungssport. Disziplinen gäbe es hier genug: Zementsack-Tragen, Schubkarre-Fahren, Kies-Schaufeln, Kran-Balancieren, Zement mischen… Auf jeden Fall alles ziemlich funktionell, das ist ja heutzutage das Wichtigste. Habt ihr noch mehr Ideen? Kommentare sind erwünscht
Fazit: Das Probetraining war ein wahres Echtzeiterlebnis mit authentischen Menschen, die aus einem besonderem Holz geschnitzt sind.