sportwissenschaft magazin

Modifiziertes Kaatsu Training

Eine Alternative zu konventionellem Krafttraining – das wiederholte Heben mittelschwerer bis schwerer Lasten (60-90% 1-RM) – stellt in das Kaatsu Training dar. Bei dieser Trainingsform werden unter eingeschränkten Blutfluss mittels angelegter Druckmanschetten an den Extremitäten leichte Gewichte gehoben (20-50% 1-RM). Die Trainingseffekte sind hinsichtlich Kraft- und Muskelmassenzunahmen mit denen eines konventionellen Krafttrainings vergleichbar und werden häufig sogar in kürzerer Zeit erreicht. Gerade im klinischen Kontext könnten Personen bei eingeschränkter Toleranz hoher Lasten von einem Kaatsu Training profitieren.

Die Literatur zum Kaatsu Training lässt allerdings eine Vielzahl ungeklärter Fragen erkennen: so variiert die Trainingshäufigkeit von 3 Mal pro Woche zu 2 Mal täglich, die Lasten pendeln im Bereich zwischen 20 und 50% 1-RM, es werden unterschiedlichste Satz- und Wiederholungszahlkombinationen verwendet und schlussendlich werden stark differierende Manschettendrücke zwecks Einschränkung des Blutflusses von 100 mmHg bis hin zu 300 mmHg angegeben.

Unabhängig von den stark variierenden Belastungsnormativen ist ein Kaatsu Training bei krafttrainingstrainierten Personen und Athleten mit einem hohen subjektiven Belastungsempfinden, beunruhigenden Missempfindungen und anschließendem Muskelkater assoziiert. Somit setzt ein Kaatsu Training eine hohe Motivation bei den Trainierenden voraus. Gerade für die Zielgruppen, die am stärksten von einem Kaatsu Training ohne hohe externe Lasten profitieren könnten (klinische Zielgruppen, Ältere), scheint eine zielgruppenspezifische Modifikation des Kaatsu Training angeraten.

Die Studie

Alyssa Weatherholt und Kollegen nahmen dies zum Anlass, um ein modifiziertes Kaatsu Trainingsprogramm zu prüfen, welches tolerable Belastungs- und Missempfindungen aufweist. An der 8-wöchigen Studie nahmen 40 gesunde, untrainierte Studenten zwischen 18 und 30 Jahren teil (23 Frauen, 17 Männer). Die Trainingsgruppe (TG) trainierte 3 Mal pro Woche unilaterales Armbeugen und –strecken auf der Scott-Bank. Ein Arm wurde unter eingeschränktem Blutfluss (CUFF), der andere Arm ohne Einschränkung der Blutzufuhr (NCUFF) mit 3 Sätzen à 15 Wiederholungen des 1-RM trainiert (Satzpause 1 Minute). Die Spannungsdauer betrug 1 Sekunde für die konzentrische und 2 Sekunden für die exzentrische Phase. Die Trainingsreihenfolge wurde wie folgt standardisiert: Armbeugen (CUFF), Armbeugen (NCUFF), Armstrecken (NCUFF), Armstrecken (CUFF). Die Kontrollgruppe (KON) nahm an keinem Krafttrainingsprogramm teil, erhielt aber an einem Arm die gleiche Einschränkung der Blutzufuhr wie die TG.

Der Manschettendruck nahm über den Untersuchungszeitraum von 90 mmHg (Woche 1-2), über 120 mmHg (Woche 3-4), 150 mmHg (Woche 5-6) bis hin zu 180 mmHg (Woche 7-8) progressiv zu. Die Druckmanschette wurde für die komplette Dauer der 3 Trainingssätze (insgesamt ca. 5 Minuten, TG) bzw. den äquivalenten Zeitraum ohne Training (KG) getragen.

Vor und nach der Trainingsphase wurden die Maximalkraft im Armbeugen und –strecken, der Armumfang, die Armhautfaltendicke und der Muskelquerschnitt bestimmt. Zusätzlich wurde im Trainingsprozess das subjektive Belastungsempfinden mittels RPE-Skala erfasst und Missempfindungen mit der RPS-Skala protokolliert. Alle 2 Wochen wurden Maximalkrafttest durchgeführt, um eine Anpassung der Trainingsgewichte zu gewährleisten.

Die Ergebnisse

Das Kaatsu Training führte zu signifikanten Kraft- und Muskelquerschnittszunahmen innerhalb der TG und im Vergleich der TG zur KON (mit Ausnahme NCUFF 1-RM Armstrecken, vgl. Abb. 1 bis 3). Interessanterweise zeigte in der TG das Training ohne Einschränkung der Blutzufuhr die gleichen Ergebnisse wie ein Training mit Einschränkung der Blutzufuhr. Diese Kraftsteigerungen führen die Autoren auf den so genannten kontralateralen Transfer zurück, die Zunahme des Muskelquerschnitts auf die systemische Hypertrophiewirkung des Kaatsu Trainings.

Weatherbolt Abb1

Abb. 1: Veränderung des 1-RM Armbeugen (*, sig. Unterschied (p < .05) zum Pre-Test; #, sig. Unterschied (p < .05) zu KON).

Weatherbolt Abb2

Abb. 2: Veränderung des 1-RM Armstrecken (*, sig. Unterschied (p < .05) zum Pre-Test; #, sig. Unterschied (p < .05) zu KON).

Weatherbolt Abb3

Abb. 3: Veränderung des Muskelquerschnitts (#, sig. Unterschied (p < .05) zu KON).

Hinsichtlich der erhobenen RPE- und RPS-Skalen zeigten sich gut tolerierbare, moderate RPE-Werte sowie RPS-Werte, die als annehmbarer Druck beschrieben werden.

Kommentar

Die Begründung der beobachteten Kraftverbesserungen des NCUFF-Armes der TG alleine auf den kontralateralen Transfer zurückzuführen, erscheint inhaltlich bedenklich. Bei den Probanden handelte es sich um untrainierte Probanden. Auch wenn eine Trainingslast von 20% 1-RM in der Literatur als „unwirksam“ bzgl. Maximalkraftverbesserungen betrachtet wird, kann allein das Üben der spezifischen Bewegungen des Armbeugen und Armstreckens auf der Scott-Bank zu Koordinationsverbesserungen mit einhergehenden Maximalkraftgewinnen geführt haben. Die Querschnittszunahmen des NCUFF-Armes der TG sind allerdings beeindruckend. Hier scheinen systemische Effekte der Blutzufuhreinschränkung (Ausschüttung von Wachstumshormonen) eine entscheidende Rolle gespielt zu haben.

Ob ein Kaatsu allerdings für ältere Personen oder klinische Zielgruppen eine Alternative darstellt, konnte die Studie nicht beantworten. Die moderaten RPE- und RPS-Skalenwerte deuten aber darauf. Unbesehen davon scheint ein Kaatsu Training eine wertvolle Ergänzung im Rahmen der Trainingsvariation für die Belastung der oberen und unteren Extremitäten darzustellen. Alternativ zum Kaatsu Training kann die Belastungsintensität eines traditionellen Krafttrainings auf 50% 1-RM reduziert und die konzentrische und exzentrische Phase verlangsamt werden. Hiermit können ähnliche ischämische Bedingungen mit ausreichend langer Spannungsdauer wie durch ein Kaatsu Training erreicht werden (vgl. Alberti, G., Cavaggioni, L., Silvaggi, N., Caumo, A., & Garufi, M. (2013). Resistance Training With Blood Flow Restriction Using the Modulation of the Muscle’s Contraction Velocity. Strength & Conditioning Journal, 35(1)).

Weatherholt, A., Beekley, M., Greer, S., Urtel, M., & Mikesky, A. (2013). Modified Kaatsu Training. Medicine & Science in Sports & Exercise, 45(5), 952–961. doi:10.1249/MSS.0b013e31827ddb1f

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*