Seit Jahren gibt es in Deutschland Diskussionen um die Fitness der Feuerwehrleute. Nationale und internationale Studien belegen, dass die Belastung im Feuerwehreinsatz das Niveau von Leistungssportlern erreicht. Bisher scheinen jedoch die in Deutschland in die Wege geleiteten „Fitness Projekte“ und „Sport-Kampagnen“ noch keine durchschlagende Wirkung gezeigt zu haben.
Brandheisses Fitnessprofil
Kaum wird bekannt, dass es den deutschen Feuerwehrleuten an der nötigen körperlichen Fitness mangelt, hagelt ein Sturm an Fitness-Projekten auf die gebeutelten Männer ein. Eine regelrechte „Projektitis“ scheint sich im Land breit zu machen, um Herr der misslichen Fitnesslage zu werden. Fakt ist, dass die Belastungen im Einsatz erheblich sind und tatsächlich ein gehöriges Maß an körperlicher Leistungsfähigkeit erfordert. Es fragt sich nur, wie denn nun genau das Belastungsprofil und die Anforderungen der „Sportarten“ Brandbekämpfung und Rettungseinsatz aussehen?
Die persönliche Schutzausrüstung wiegt etwa 25 kg, hinzu kommt die Ausrüstung für Löscheinsatz, welche ca. 38 kg beträgt. Im Einzelnen sind noch typische Arbeitsgeräte, wie z.B. Kabeltrommeln, Stromerzeuger, hydraulische Rettungsgeräte, Vorschlaghammer, etc. zu berücksichtigen, die vor allen Dingen eines gemeinsam haben: ein hohes Gewicht. Daraus ergeben sich primär hohe Anforderungen an die Kraftfähigkeiten, um überhaupt eine präzise Handhabung der gesamten Ausrüstung zu ermöglichen. Des Weiteren ist eine gut entwickelte Muskulatur der beste Schutz vor Verletzungen des Bewegungsapparates, die schnell im Umgang mit schwerem Arbeitsgerät entstehen können. Der Vergleich mit einem Kraftsportler kommt hier sehr nahe.
Die Anforderungen an die körperlichen Handlungsfertigkeiten im Einsatz könnte man wie folgt zusammenfassen: Präzision, Schnelligkeit, Sicherheit. Aus fachlicher Sicht spielen noch Aufmerksamkeit, Konzentration und Entscheidungsfähigkeit eine wesentliche Rolle. Diese Anforderungen sind immer unter Berücksichtigung der vorher genannten erhöhten Kraftbelastungen zu sehen. Hinzu kommt, dass es sich bei einem durchschnittlichen Löscheinsatz nicht um Belastungen von mehren Stunden handelt, sondern im Bereich von 15 bis maximal 30 Minuten handelt.
Über den Tellerrand sehen
Beim körperlichen Training der feuerwehrspezifischen Konditionen gibt es bereits langjährige Erfahrungswerte. Hier lohnt ein Blick über den großen Teich. In den USA wird „Firefighting“ längst als ernsthafter Sport behandelt. Hierzu gibt es professionelle Institutionen wie die National Strength and Conditioning Association (NSCA), die sich zur Aufgabe gemacht hat wissenschaftlich Erkenntnisse und ihre Anwendung in der Praxis zu fördern, um die sportliche Leistungsfähigkeit und Fitness zu verbessern. Die NSCA unterhält eine spezielle Untersektion, die Tactical Strength and Conditioning Association (TSCA). Die TSCA beschäftigt sich ausschließlich mit dem Training der Tactical Forces, den Spezialeinheiten. Hierunter fallen Polizei, Militär, Sondereinsatzkräfte und Feuerwehr.
Eine präzise Einordnung von Firefigthing als Sport wird mit folgender Beschreibung gegeben:
➊ „Firefighting ist eine anaerobe (Kraft erfordernde) Sportart. Der aggressive Innenangriff, eine Leiter mit schwerem Werkzeugen hochsteigen, um ein Dach zu öffnen oder das Heben und Tragen von bewusstlosen Unfallopfern verlangt sowohl Kraft als auch hohe Kurzzeitausdauer. Dazu kommt die Belastung durch das Gewicht der schweren persönlichen Schutzausrüstung, die während des Einsatzes getragen werden muss.“ Functional Firefighter Fitness Tom Shook, RKC
Die Ausführungen unterstreichen deutlich, dass es sich hierbei um anaerobe Belastungen und hohe Belastungsintensitäten handelt, vergleichbar mit denen eines Zehnkämpfers. Im TSAC Report vom Oktober 2007 wird ein oft gemachter Fehler im Training von Spezialeinheiten behandelt:
➋ „Häufig setzt das militärische Fitnesstraining auf den Dauerlauf, um die Ausdauer zu verbessern. Der Körper wird darauf gedrillt, mit dem im Blut gebundenen Sauerstoff einen langen Zeitraum durchzuhalten. Die meisten Kampfeinsätze erfordern jedoch Schnelligkeit, Gewandtheit und Schnellkraft: Diese Elemente kann man nicht allein mit Ausdauersport trainieren. Kraft und Schnellkraft sind jedoch körperliche Anforderungen, die direkt den Einsatzerfolg beeinflussen!
Feuerwehrleute sind keine Ausdauersportler. Dieses Beispiel untermauert die vorherigen Ausführungen, indem es zeigt, dass die vielfältigen Anforderungen im Einsatz sehr hohe Intensitäten mit Schnelligkeit, Agilität und Kraft erfordern und nicht die Fähigkeit, bestimmte Leistungen über einen langen Zeitraum aufrecht zu erhalten. Das physische Training ist immer als fester Bestandteil der Tagesroutine eingeplant. Die Trainingseinheiten sind kurz und intensiv, was die Integration in den Tagesplan erleichtert. Zudem herrscht hier die Auffassung vor, dass Fitness als eine Art fachlicher Qualifikation für den Beruf behandelt wird, gleichwertig mit anderen theoretischen und praktischen Fähigkeiten und Kenntnissen.
Fitnessfrust statt Fitnesslust
Die Voraussetzungen in Deutschland sind anders. Wird zu Beginn der Feuerwehr-Karriere und für die Einstellungsvoraussetzungen noch fleißig trainiert, beschränkt sich das Training später oft auf das gemeinsame Fußball spielen. Zu unterscheiden ist hier zudem zwischen Freiwilliger Feuerwehr und den Berufs- und Werkfeuerwehren. Der „Druck“ sich fit zu halten sollte eigentlich für die Feuerwehrmänner, die Ihren Lebensunterhalt mit Atemschutzeinsätzen verdienen, im Vergleich zu den Freiwilligen, ungleich höher sein. Das Bewusstsein, dass der eigene Beruf ein beträchtliches Maß an Fitness fordert, scheint hier nur gering ausgeprägt zu sein.
Auf der anderen Seite stellt sich bei den Freiwilligen Feuerwehren die Frage, in wie weit man überhaupt eine professionelle Einstellung „Mein Körper ist mein Kapital“ einfordern darf. Die Bemühungen in Deutschland die Feuerwehren physisch fit zu machen, gehen in eine ganz andere Richtung. Die Sportkampagne einer süddeutschen Berufsfeuerwehr soll hier als Beispiel dienen, da andere Maßnahmen und Empfehlung sehr ähnlich aufgebaut sind:
Der Schwerpunkt wird hier auf das Ausdauertraining gelegt:
- Grundlagenausdauer
- Funktionsgymnastik
- Rückenschule
- Wie trainiere ich richtig!
- Spaß haben
- Sich wohl fühlen
Vergleicht man die Punkte des Konzeptes mit dem stark leistungsorientierten US-amerikanischen Ansatz, so werden hier gesundheitssportliche und pädagogische Aspekte fokussiert. Konzepte dieser Art sind in Deutschland nicht unbekannt, denn sie werden auch gerne zur Mobilisierung von Büroangestellten oder anderen nicht-körperlichen Tätigkeitsfeldern verwandt. An dieser Stelle wirft sich die Frage auf, welche Wirkungen so ein Programm auf die extremen Anforderungen im Einsatz haben soll?
Die Analyse
Versuchen wir die einzelnen Punkte hinsichtlich ihrer Spezifika und Umsetzbarkeit in die Praxis näher zu beleuchten:
Grundlagenausdauer: Das Training der Grundlagenausdauer soll vor allem als Basis für Gesundheit und Fitness, sowie als Grundlage für andere sportliche Aktivitäten und Optimierung für spezielle Ausdauerdisziplinen dienen. Zudem verbessert eine gute Grundlagenausdauer die allgemeine Regenerationsfähigkeit. Prinzipiell spricht nichts gegen ein Training der Grundlagenausdauer. Mit den speziellen Anforderungen im Einsatz hat dieses Training allerdings wenig zu tun.
Funktionsgymnastik: Hier sollen mit gymnastischen Übungen einzelne Muskelgruppen gezielt gekräftigt werden. Die Belastungsintensität wird hier mit Hilfe des eigenen Körpergewichts oder Handgeräten, wie Gummibändern, Bällen, leichten Gewichten o.ä. gesteuert. Damit sollen die muskulären Voraussetzungen für die Kraftbelastungen im Einsatz geschaffen werden. Da aber die Belastungen im Einsatz wesentlich höher sind und nicht die gleichen Trainingsübungen wie bei der Gymnastik umfasst, sind die Trainingsreize so gering und unspezifisch, das kaum Effekte zu erwarten sind.
Zudem hat Funktionsgymnastik noch ein Image, welches diese Trainingsform sehr unattraktiv für Feuerwehrmänner macht: Schaut man sich in Fitness-Studios oder Sportvereinen um, so erfreut sich die Funktionsgymnastik vor allem bei Senioren und Frauen großer Beliebtheit. Junge Männer und Männer mittleren Alters sucht man in diesen Kursen vergebens. Dies dürfte die Motivation für eine dauerhafte Durchführung bei den Feuerwehrmännern deutlich dämpfen.
Rückenschule: Ziel der Rückenschule ist es im Alltag und Beruf ein rückengerechtes Verhalten einzuüben. Auf den ersten Blick sinnvoll für Feuerwehreinsatzkräfte, da wie bereits erwähnt, Wirbelsäule und Gelenke hohen Belastungen aussetzt sind. In der Praxis fraglich, da zum einen die Effekte einer Rückenschule auf das langfristige Verhalten nicht wissenschaftlich bewiesen sind und zum anderen der tägliche Umgang mit schwerem Gerät und Ausrüstung eine der 10 goldenen Regeln der Rückenschule verstößt: „Du sollst nicht schwer heben“. Stellen Sie sich vor, ein 100 kg-Mann muss schnellstens aus einer brennenden Wohnung gerettet werden: „ Entschuldigen Sie bitte, aber ich darf nicht schwer heben“
Über den Tellerrand sehen, Teil II
Wie man perfekt große Lasten hebt und bewegt, lernt man am besten bei denjenigen, die wirklich etwas davon verstehen- und das sind Gewichtheber, Kraftdreikämpfer und Strong Man Athleten! Beobachtet man diese in Aktion, so fällt interessanterweise auf, das hier ausnahmslos optimal gehoben und getragen wird, anders wären derartige Lasten auch gar nicht zu bewegen. In den USA macht man sich schon lange die Trainingstechniken dieser Sportarten zu nutze.
Wie trainiere ich richtig: Die Vermittlung von Hintergrundwissen zum Training ist ein sehr guter Ansatz, schließlich gilt hier das Prinzip des „mündigen Sportlers“, der ein Handlungs- Effekt-Wissen hat und effektive von ineffektiven Methoden unterscheiden kann.
Akzeptanz: Die Sportkampagne einer süddeutschen Berufsfeuerwehr beinhaltete zudem eine interessante Umfrage unter 110 Feuerwehrleuten: Bemerkenswerte 86 Prozent hielten einen Fitness-Test für wichtig, bzw. sehr wichtig! Eine grundlegende Akzeptanz für Fitnessprogramme ist demnach vorhanden.
Spaß und sich wohl fühlen: Ohne diese Faktoren wird kein Programm in der Praxis umsetzbar sein. Ein sehr guter Punkt. Gespräche mit Einsatzkräften zeigen jedoch, dass der Aufforderungscharakter von herkömmlichen Angeboten wie Funktionsgymnastik und Rückenschule gering ist. Ganz anderes verhält es sich mit einem Firefighter-Fitnessprogramm: „ Das Training hat sehr viel Spaß gemacht, weil es abwechslungsreich, und kurzweilig war. Unsere Gruppe braucht im Training einen Wettkampfcharakter, um eine hohe Intensität aufzubringen“, so ein Teilnehmer einer Berufsfeuerwehr im Ruhrgebiet.
Diagnostik als Fehlerquelle
Der primäre Aspekt liegt in der richtigen Wahl der leistungsbestimmenden Parameter für die „Sportart“ Firefighting. Allein die aerobe Grundlagenausdauer zu testen bringt wenig, wenn sie direkt im Einsatz gar nicht gefordert ist. Es wäre das gleiche, wenn man die Leistungsfähigkeit eines Zehnkämpfers allein anhand seiner Grundlagenausdauer bestimmen würde. Ein weiterer Punkt bei einer fehlerhaften Steuerung und Planung liegt in der Wahl der geeigneten Diagnoseinstrumente zur Feststellung der körperlichen Leistungsfähigkeit. Was soll es bringen, wenn ein Feuerwehrmann sich zum Test auf ein Fahrrad setzt? Müsste der Weg zum Einsatzort mit dem Fahrrad zurückgelegt werden, machte dies Sinn, man testet einen Läufer auch nicht auf dem Fahrrad und einen Ruderer nicht auf dem Laufband.
Der Leiter eine süddeutschen Werkfeuerwehr verfolgt mit einem modifiziertem Test eines von Dr. Loren Myhre vom Alamo Physiological Research Institute in Portland entwickelten Verfahren, einen differenzierten Ansatz. Sein Fire Fighter Index Test (FFI) beinhaltet 2/3 Ausdauer und 1/3 Kraft mit Hantelübungen wie Bankdrücken und Bizepscurls. Positiv zu bewerten ist, dass anhand des tatsächlichen Anforderungsprofils auch die Kraft getestet wird. Im Hinblick auf unsere vorherigen Analysen wirft sich hier allerdings wiederum die Frage auf, warum dem Faktor Kraft weniger Priorität eingeräumt wird als der Ausdauer?
Ein weiterer Optimierungspunkt liegt in den Testmethoden der Kraft: Die Frage ist, in wie fern Übungen wie Bankdrücken und Bizepscurls in der Lage sind die komplexen Kraftanforderungen im Einsatz zu repräsentieren. Nicht ganz klar wird, wann man im Einsatz auf dem Rücken liegend Lasten in die Höhe stemmt oder isoliert nur einen Muskel wie den Bizeps beansprucht. Die Grundidee jedoch ist sehr sinnvoll, sofern man geeignetere Testübungen auswählt und der Kraft eine höhere Priorität einräumt.
Konsequenzen
Im Hinblick auf die oben analysierten Faktoren haben wir in Kooperation mit dem DMT-Zentrum für Brandschutz und Sicherheit ein neues Fitnesskonzept entworfen, welches folgende Kriterien erfüllt:
- Belastungsprofil im Einsatz
- Spezifisches und komplexes Training
- Kurzes und intensives Training
- Effektives und abwechslungsreiches Training
- Training mit geringem Materialaufwand
Die große Palette der Feuerwehrausrüstung ist hierbei die Grundlage für ein effektives Belastungstraining. Es sind nur einfachste „Trainingsgeräte“ notwendig, die im Normalfall auf jeder Feuerwache vorrätig sind. Ausgemusterte Gegenstände sind völlig ausreichend. Ziel des Trainings ist es, Trainingsmethoden zu vermitteln, die so realistisch wie möglich den physischen Belastungen im Ernstfall entsprechen. Jeder Trainingsübung kann somit ein adäquates Beispiel aus dem Einsatz zugeordnet werden, so das den Feuerwehrmännern immer ein konkreter Bezug zur Praxis verdeutlicht wird. Der schnell zu erfassende Sinn und Nutzen der Übungen wirkt sich positiv auf die Motivation und regelmäßige Durchführung des Trainings aus.
Da, wie bereits erwähnt, die Anforderungen an Kraft, Präzision und Schnelligkeit in vielen Einsatzszenarien hoch sind, ist die Intensität des physischen Belastungstrainings der DMT entsprechend hoch. In Trainings mit einer Feuerwehr aus dem Ruhrgebiet wurde gerade dieser Faktor als besonders motivierend und positiv bewertet, da man auch subjektiv das Gefühl hatte „etwas getan zu haben“. Die Effektivität im Vergleich zu einem konventionellen Fitnesstraining lässt sich folgendermaßen beschreiben:
Die körperliche Fitness und muskuläre Leistungsfähigkeit wird ganzheitlich ausgebildet, sie ist im alltäglichen Ernstfall besser einsetzbar. Was nützen Muskeln, die an Maschinen trainiert wurden, wenn sie zum Tragen von schweren Gegenständen nicht taugen? Was nützt scheinbare Kraft, wenn man sie nur sitzend oder liegend entfalten kann? Aus diesen Gründen trainieren die Teilnehmer bei den Trainings der DMT immer spezielle physische Anforderungen, der feuerwehrspezifischen Konditionierung, Kraft, Schnelligkeit, Ausdauer und Gewandtheit unter realitätsnahen Bedingungen. Die Anforderungen der Trainingsprogramme und -übungen werden immer der individuellen Leistungsfähigkeit der Teilnehmer angepasst, so dass immer eine adäquate Belastung gewährleistet wird.
Mit diesem neuen Programm bietet die DMT ein grundlegendes Trainingsmodul an, damit es auch weiterhin heißt: Trainiert für den Ernstfall.
Den Originalartikel könnt Ihr hier herunterladen.