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Die alte Garde des Kraftsports

Krafttraining ist nichts für Ältere! Das ist die landläufige Meinung, wenn es darum geht ein geeignetes körperliches Training für Senioren zu definieren. Doch stimmt das wirklich? Wir sind dieser Frage nachgegangen und haben eine Gruppe von lebenslangen Kraftsportlern vom KSV Bochum befragt.

 

Für die Ablehnung von Krafttraining bei Älteren gab es allerdings niemals schlüssige Argumente, nur Vorurteile. Nach und nach befürworten auch Sportwissenschaftler und Mediziner das Krafttraining für die Generation 50+ und spätestens seit der Veröffentlichung des Buches  Silver Generation – Krafttraining für Senioren von Dr. Peter Preuß sollte es auch der breiten Öffentlichkeit klar werden: Krafttraining ist wichtig! Nichtsdestotrotz ist diese Entwicklung wiedereinmal ein Beweis dafür, das die Wissenschaft der Praxis hinterher hinkt. Oder noch einfacher: man hätte zum KSV Bochum nach Wattenscheid fahren sollen. Dort kann man sich schon seit seit Jahrzehnten von alten Garde des Kraftsports und ihrer beeindruckenden Fitness überzeugen…

 

Der Bunker

„Tief im Westen, wo die Sonne verstaubt, ist es besser, viel besser, als man glaubt „, so besingt Herbert Grönemeyer Bochum und das diese Stadt keine Schönheit ist, wird auch klar, als wir uns aufmachen um in Wattenscheid die alte Garde des Kraftsports aufzusuchen. Tief in einem Keller einer grauen Schule, fast schon ein Bunker, dort sollen sie sich aufhalten, immer montags, mittwochs, freitags ab 16.00 Uhr. In diesem Bergwerk des Eisensports trainieren sie also. Man hat den Eindruck hier könne man einen Atombombenangriff überleben. Das Malocherambiente dieser Trainingsstätte offenbart sich sofort: Hier wird zwar nicht das schwarzes Gold gefördert, hier machen Männer Muskeln.

Unser sachkundiger Blick schweift schnell umher und wir stellen fest: hier kommt wirklich kein Tageslicht herein, aber dieses Kraftsport-Bergwerk – von allen Halle genannt – ist viel größer als man denkt. Alles was man für ein seriöses Training braucht: Lang- und Kurzhanteln in Hülle und Fülle, Bänke, Sprossenwände, Reckstangen, Kästen, vor allem vernünftige Böden, die ein gescheites Gewichtheben erlauben. Wir notieren: Kein Wellness-Dangs und Po-Dings, keine Theke, keine Sauna, keine halbstarken Möchtergern-Bodybuilder und Disco-Pumper. Ablenkungen vom Training unmöglich, auch die leicht vor sich hin säuselnde WDR 4 Beschallung ändert daran nichts.

 

Die Protagonisten

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Wir sprechen zuerst mit Fritz. Seine 69 Lenze sieht man dem hageren trainierten Mann nicht an, man würde ihn auf 55 bis maximal 60 Jahre schätzen. Ob es die Hormone sind, die seinen Körper durch 30 Jahre Krafttraining beim KSV so jung gehalten haben? Fritz trainiert drei mal pro Woche beim KSV, dazu kommen noch zwei Trainingseinheiten im Boxverein. Ein stolzes Pensum, aber die Abwechslung des Boxtrainings lassen die fünf wöchentlichen Einheiten sehr erträglich werden.

Klaus ist 65. Der ehemalige Gewichtheber trainiert seit 41 Jahren im KSV. Mindestens drei mal pro Woche ist er noch am Eisen. Daheim im eigenen Keller kann schon mal eine Extra-Einheit dazukommen, die Ausstattung ist auch hier komplett. Im Moment besteht das Heimtraining aber aus Übungen mit dem eigenen Körpergewicht: Liegstütze, Beugestütze und Kniebeugen mit hohen Wiederholungszahlen sind derzeit angesagt. Ansonsten macht auch Klaus einen durchtrainierten und schlanken Eindruck. Lediglich die Beweglichkeit der Schultergelenke ist nicht mehr so gut wie früher, daher gehört das Gewichtheben nicht mehr in sein Programm. Klassische Kraftübungen, wie das Lastheben und Bankdrücken bilden aber nach wie vor den Grundstock seines Programms.

Rolf ist 64 und trainiert seit 2 Jahren im KSV. Angefangen hat er im Boxverein BSV 21 in Wattenscheid angefangen im Alter von 14 Jahren. Auffällig ist auch bei Rolf, das er wie alle anderen auch, keine Lieblingsübungen hat. Eine bemerkenswerte Überraschung, im Gegensatz zu den meisten Fitness-Clubs, wo die Welt nach Brust und Bizpes schon aufhört. Jürgen, der erste Vorsitzende im Verein hat hier alles im Griff. Er ist der Manager beim KSV, sorgt für den reibungslosen Trainingsablauf und beschafft alle guten Trainingsmaterialien. Sein Trainingsbeginn war im September 1955. 1970 kam er durch einen Zusammenschluss zum KSV.

 

Vom Nachwuchs und vom harten Kern

altegarde3Heute kümmert sich Jürgen um den Nachwuchs, was nicht ganz einfach ist, denn in Bochum können sich offensichtlich viele Jugendliche nicht für das Gewichtheben begeistern. „So lange die Leistung ohne große Anstrengung wächst sind alle mit Eifer dabei, wenn aber die Quälerei anfängt und die Fortschritte trotz größerem Trainingsaufwand kleiner werden, springen die Meisten ab“, beschreibt Jürgen die mangelnde Disziplin und Kontinuität.

Der Fitnessbereich des Vereins erfreut sich dagegen regem Zulauf bei den Jugendlichen. Muskelaufbau und Fitness sind offensichtlich mehr angesagt. Klar, das Pumpen mit zahlreichen wertlosen Schnick-Schnack-Übungen erfordert bei weitem nicht das Können und die Anstrengungen , wie das traditionelle Krafttraining. „Für einen Jahresbeitrag von 40,- Euro für Jugendliche und 85,- Euro für Erwachsene bekommt man auch eine heiße Dusche und kann sich im Winter wärmen“, weist Jürgen süffisant auf die äußerst geringen Beiträge des Vereins hin. Da tut es finanziell nicht so weh, wenn auch hier viele nach kurzer Zeit wieder aussteigen, wenn sie merken, dass es mit dem Muskelaufbau nicht so schnell klappt, wie sie sich vorgestellt haben. Ganz nach einer Weisheit Arnold Schwarzeneggers „Nichts ist so groß wie die Freude, die wir verspüren, wenn wir etwas Neues beginnen, doch die Vernunft gebietet zu erkennen, das diese nicht lange von Dauer ist“.

Letztlich bleibt doch alles auf den harten Kern reduziert. Rolf konstatiert: “ Wir haben hier eine kleine Gemeinschaft. Wenn einer mal einen Tag nicht zum Training kommt, wird er beim nächsten mal gleich gefragt, wo er denn war.“ Die Anonymität der großen Fitness-Ketten mit dem Ambiente einer Legebatterie gibt es hier nicht. Jedes neue Mitglied wird hier herzlich begrüßt. Ohne Handschlag kehrt hier Niemand ein. Die gemeinsame Leidenschaft für den Eisenport schweißt auch Neumitglieder wie uns schnell mit der altern Garde zusammen.

 

Fazit

Die Praxis zeigt uns, das jahrzehntelanges Krafttraining zu außergewöhnlicher Fitness führt. Von den positiven Effekten kann jeder Mensch in jedem Alter profitieren, das ist sicher. Das beweist auch KSV-Mitglied Gerd Menne, der im stolzen Altern von 81 Jahen noch gekonnt die Kugelhantel schwingt und Klimmzüge macht:

 

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