Worobjow: Gewichtheben

Ein vergriffener Klassiker aus den späten Jahren der sowjetischen Pionierzeit im Gewichtheben. Bietet auch heute noch – in Teilen – wertvolle Informationen für die Trainingspraxis.

worobjowDie vorliegende dritte ins Deutsche übersetzte Ausgabe ist 1984 im heute nicht mehr existierenden Sportverlag Berlin erschienen. Der Verlag dürfte jedem altgedienten Trainer wohl ein Begriff für zahlreiche wegweisende Publikationen in der Sportwissenschaft der DDR sein. In dieser Tradition steht auch Arkadi Worobjows Werk mit dem schlichten Titel Gewichteben. Worobjow war studierter Mediziner und in den 60er Jahren Cheftrainer der überragenden sowjetischen Gewichtheber. Als Athlet gewann Worobjow zahlreiche intentionale Titel, darunter zwei Gold- und eine Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen.

Diesen Sachverstand merkt man dem Buch nach fast 30 Jahren immer noch an. Insbesondere die Methodik und Didaktik der Übungsvermittlung hat auch heute noch seine Berechtigung. Abstriche müssen natürlich in teilweise nicht mehr aktuellen Techniken wie dem Reißen und Umsetzen in den Ausfallschritt gemacht werden.

 

Wissen ist Macht

Die Frage nach dem Grund für die Erfolge und Dominanz des Sowjet-Gewichthebens in der damaligen Zeit beantwortet der Autor mit der hohen Qualifikation der Trainer. Diese waren teilweise höher qualifiziert als Lehrer und der Trainerberuf war entsprechend hoch angesehen. Darüber hinaus gab es, wie in der DDR, eine entsprechende Infrastruktur mit verschiedenen Institutionen, die von der Talenterkennung bis in den Hochleistungsbereich eine hochqualifizierte Betreuung der Sportler vom ersten Tag an gewährleistet hat. Dies äußert sich auch in der ganzheitlichen Auffassung vom Sport, bei der nicht nur physiologische, sondern auch erzieherische und soziokulturelle Aspekte in der langfristigen Formung der Sportler einbezogen wurden.

Interessant ein Vergleich mit dem Westen: In Gesprächen mit alten Gewichthebern aus dem Ruhrgebiet habe ich erfahren, dass diese zur damaligen Zeit ihre Wettkämpfe in Kneipen ausgetragen haben und dabei so manchen Kronleuchter von der Decke holten. Bei der Trainingsmethodik waren Sie oft sich selbst überlassen oder auf das Engagement von Freizeit-Trainern angewiesen. Alle betrieben den Sport nur neben ihrer meist körperlich anstrengenden Arbeit. So erfuhr man von neuen Techniken auch immer erst mit Verzug und musste weit reisen, ums sich beispielsweise einmal das Reißen in die Hocke zeigen zu lassen.

So ist es nicht weiter verwunderlich, dass Worobjows Buch bereits viele wichtige biomechanische Grundprinzipien erläutert und ein systematischer langfristiger Leistungaufbau nach der 10-Jahres-Regel propagiert wird. Fortschrittlich ist mit Sicherheit auch die Behandlung des Themas Regeneration. Teilweise wird dieser Punkt heute noch in vielen Bereichen sträflich vernachlässigt.

Nachahmer sind gefährdet

Die Methoden der Trainingsplanung gilt typischerweise für die 80er das mehr ist besser Prinzip. Während so etwas für hochqualifizierte Sportler funktionieren kann, sollte sich der ambitionierte Leser davor hüten die Beispielpläne einfach zu kopieren. Training ist ein individueller Prozess und kann nicht schablonenhaft übertragen werden.

Fazit

Eine spannende Lektüre aus der Geschichte des Gewichthebens. Das Buch kann dazu beitragen die Komplexität des Sports zu erkennen und das eigene Training neu zu bewerten. Die Preise für das vergriffene Buch steigen allerdings rapide. Wer ein Schnäpppchen machen kann, sollte unbedingt zugreifen.

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