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Die Fitnessbewegung und die Revolution der Maschinen

Wie konnte es dazu kommen, dass in den heutigen „Muckibuden“ überall High-Tech-Maschinen unser heutiges Bild von Fitnesstraining prägen? Dieser kurze Rückblick schildert die Geschichte vom Aufstand der Maschinen bis zu ihrer totalen Herrschaft in der Fitnesswelt des 21. Jahrhunderts.

Trainingsmaschinen haben sich für viele Menschen zu einem selbstverständlichen Bestandteil von körperlichem Training entwickelt. Spricht man von Krafttraining, denkt man sofort an Training in im Studio. Jedes Fitness-Center ist vollgepackt mit den verschiedensten Arten von Geräten, von Allereinfachstem bis zur absoluten High-Tech Maschine. Obwohl Maschinen im Training allgegenwärtig scheinen, sind sie doch eine relativ neue Erfindung. Erste Entwicklungen moderner Trainingsmaschinen finden wir in den 1950er Jahren. Nicht zufällig war dies auch die Zeit der Geburtsstunde des Bodybuildings. Eine der experimentierfreudigsten Köpfe war zu dieser Zeit Jack LaLanne, der uns in der heutigen Zeit auch in Deutschland durch die hiesigen Dauerwerbesendungen mit dem „Jack LaLannes Power Juicer“ bekannt wurde.

Die 50er

In den 50ern war Jack mit seinen Sendungen tatsächlich ein Pionier der modernen Fitnessbewegung, wie auch unser beispielhaftes Youtube Videos zeigt. Und die Old School Varianten davon stellen wir heute noch dem Publikum vor. LaLanne soll eine der ersten gewesen sein, die mit einem Kabelzug trainiert haben, er soll maßgeblich dazu beigetragen haben ersten Beinstreckmaschinen und auch die sog. Smith-Maschine (Multi-Presse) durch seine Sendungen populär gemacht zu haben.

Bodybuilding steckte zu dieser Zeit noch in den Kinderschuhen und das Training war nichts anderes als klassisches Krafttraining, geprägt durch wenige schwerathletische Übungen aus dem olympischen Gewichtheben und Körpergewichtsübungen. Nicht umsonst waren Bodybuilder der alten Schule hervorragende Gewichtheber. So wurde Arnold Schwarzenegger 1965 österreichischer Staatsmeister im Schwergewicht. Zudem mussten die Athleten bei den ersten Bodybuildingwettkämpfen nicht nur zeigen, dass sie stark aussahen, sondern auch tatsächlich stark waren: Neben der Beurteilung des bestgebautesten Athleten waren Kraftwettbewerbe obligatorisch. Auch hier konnten Männer wie Arnold Mitte der sechziger stets punkten: seine Leistung im Kreuzheben betrug im Alter von 19 Jahren 322 kg – ohne High-Tech Anzug.

Die 60er

Die Sechziger brachten auch die erste Maschinenrevolution mit sich: Geräte, bei denen die Gewichte mit einer Kette befestigt an Führungsschienen bewegt werden konnten. Zeitgleich vollzog sich die Wende zum Training von Muskelgruppen: Das Split-Training. Somit gab es einen Paradigmenwechsel im Training, das zuvor noch aus dreimaligem Ganzkörpertraining mit komplexen Grundübungen (man könnte es auch „funktionell“ nennen) bestand, hin zu einer wachsenden Vielfalt an eingelenkigen Isolationübungen, um den Bildhauergedanken vom eigenen Körper zu verfolgen damit auch gezielt kleinste Partien herausgearbeitet werden konnten. Wie weiter oben beschrieben, besaßen diese Athleten jedoch vorher schon ein solides Fundament an Kraft und Muskelmasse, welches sie sich durch jahrelanges Training mit traditionellen Übungen aus dem Sport antrainiert hatten.

Die 70er

Frauen waren bis hin in die Sechziger in Studios kaum anzutreffen. Dies änderte sich als mit Jane Fonda die erste Aerobic Welle über uns herein brach und die „Leg Warmers“ salongfähig wurden. Gleichzeit erreichte uns der zweite Angriff der Maschinen: Arthur Jones entwickelte die Excentertechnik (Cam) und revolutionierte mit seinen Nautilusgeräten das Muskeltraining. Nun war der Siegeszug der Maschinen nicht mehr aufzuhalten. Die Excentertechnik ermöglicht es natürliche Kraftverläufe biomechanisch so zu verändern, dass der Muskel mit stets gleich bleibender Spannung trainiert werden konnte. Bei allen natürlichen Bewegungen ändern sich die Spannungszustände der Muskulatur während des Bewegungsablaufs.

Bei einem Bizepscurl mit einer Kurzhantel ist das Gewicht in der 90 Grad Position am schwersten, weil die Last sich dann am weitesten vom Drehpunkt (Ellenbogengelenk) befindet. In der unteren und oberen Position der Bewegung wird es wieder leichter. Der Excenter einer Maschine ändert diesen Kraftverlauf, indem er die Widerstandskurve durch seine charakteristische Form so anpasst, das zu jeder Phase der Bewegung der Widerstand gleich bleibt. Und was sind nun die Effekte dieser biomechanischen Revolution in Bezug auf den Muskelaufbau? Antwort: man baut damit auch nicht besser oder schlechter Muskeln auf als mit traditionellen Trainingsmitteln. Zumindest wirtschaftlich kann man Vorteile für die Maschinen verbuchen, da sie dem Hersteller viel mehr Geld einbringen, als ein paar eiserne Hanteln.

Die 80er

Bevor tradiditionelles Krafttraining in den Neunzigern durch den letzten Maschinenaufstand seinen endgültigen Todesstoß bekam, wurde dem klassischen Krafttraining auf dem Gebiet der Körpergewichtsübungen noch empfindliche Verluste beigebracht: Die zweite Aerobicwelle überrollte die Fitnesslandschaft mit massiver Vermarktung von Konzepten wie „Callenatics“, ein von Callan Pinckney entworfenes Gymnastik-Programm, das vor allem die Tiefenmuskulatur stärken soll. Mir ist Callenetices noch durch viele Wiederholungen mit minimalem Bewegungsradius im Gedächtnis geblieben. Für Karnickel mag dies effektiv sein, aber für Menschen, deren natürliche Bewegungsmuster ganz anders aussehen?

Die 90er

In diesem Jahrzehnt kam Terminator II in die Kinos und in der Fitnesswelt setzten die Maschinen zu ihrem alles entscheidenden Schlag an: Die Einführung von computergesteuerten, alles kontrollierenden Maschinenmonstern. Zu Anfang waren Sie noch ziemlich behäbig schlecht zu bedienen und teuer. Die Maschinen lernten sich jedoch immer besser den Zielen der Menschen anzupassen: Wenig anstrengen und in kurzer Zeit viel erreichen. Bei minimalem Trainingsaufwand.

Jeder Fortschritt einer Technologie, die zum Ziel hat dem gesunden Menschen natürliche Bewegung abzunehmen, ist ein Schritt in seine körperliche und geistige Degeneration.

Das 21. Jahrhundert

Die Fitnesswelt ist fest in der Hand der Maschinen, die den letzten Rest an funktionellem „Old School“ Training aus den Studios verdrängt haben. Fitness konnte durch die Maschinenrevolution zum Massenprodukt werden, Im Discount-Segment schließt man Gerätevermietungsverträge ab, um einfach gut auszusehen. Das Premium-Segment ist durch riesige Wellnesstempel gekennzeichnet, in denen man seine Freizeit erbringt und sich auch mal trainieren lassen kann – wenn man Lust hat. Einfach die Chipkarte in das High-Tech Gerät und los geht’s. Das MUSS ja effektiv sein, bei so viel innovativer Technologie. Anschließend auf einer Rüttelmaschine noch etwas bewegen lassen – wer sich bewegt ist selbst Schuld – und fertig ist das beruhigte Gewissen.

 „Hinter allen Innovationen der Gesundheitsbranche lauert Business“

baumWenn es wichtiger wird mit Wünschen zu spielen, als realistische Einschätzungen über erreichbare Ziele zu geben, läuft etwas verkehrt und wir befinden uns in einer vielfach beschriebenen virtuellen Traumwelt, in der man mit minimalem Einsatz alles erreichen kann. So ein bisschen erinnern mich die modernen Fitness-Tempel an die Massentierhaltung: Laufbänder und andere Maschinen aneinandergereiht, wie in der Legebatterie, ausgerichtet auf maximale Effizienz und hohen Durchlauf. Bei der Effizienz dreht es sich im Übrigen nicht um Trainingseffizienz, sondern darum dass der Kunde das Gerät schnell wieder verlässt, damit noch mehr Menschen durch die Anlangen geschleust werden können.

Auch hier bewegt sich das Fleisch nur auf der Stelle und die Gehirne sind multimedial verbunden mit Fernsehen, Internet und Co. Dies erinnert mich stark an den Film „Matrix“ mit Keanu Reeves, in dem die reale Welt von Maschinen beherrscht wird und die Menschen nur Energieproduzenten sind. Damit die Körper am Leben bleiben bekommen sie eine surrealistische Traumwelt in ihre Gehirne eingespeist. Der nächste Schritt steht bereits in den Startlöchern: Hersteller werden in Zukunft dazu über gehen Laufbandserien zu entwickeln, bei denen man auf dem Display auf verschiedene „Apps“ zugreifen kann und so während des Trainings über Twitter, Facebook und andere Dienste im digitalen Zwischennetz mitteilen kann, was man denn gerade so treibt. Somit kann die Existenz in der realen Welt auf minimales Niveau zurück geschraubt werden.

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